Spielen, forschen und mitbestimmen
Dass die Kinderwelt ANOHA 2021 zum Jubiläum von 1.700 Jahren Judentum in Deutschland eröffnet hat, ist Zufall und dem Corona-Lockdown geschuldet. Kein Zufall ist, dass der Name an die Arche Noah erinnert. ANOHA-Leiterin Dr. Ane Kleine-Engel begleitete die AutorInnen des Betrifft KINDER extra »Alle in einem Boot. Arche Noah in der Kita« Jutta Gruber und Andreas Münzer durch das imposante, an die Akademie des Jüdischen Museums Berlin angegliederte Gebäude.
Wasch mich, aber mach mich nicht nass? Dieser Gedanke kommt uns nicht in den Sinn, denn der steht unter dem Eindruck der Sound- und Lichteffekte von Regen und Flut. Erst leise prasselnd, dann tosend. Je weiter wir in den Regen- und Flutraum gelangen, umso dunkler wird es, umso lauter klatschen die Wassermassen an die Wände und umso ungehaltener kreischen die Kinder. Sogar die am Boden simulierten Pfützen platschen dramatisch, wenn wir hindurchlaufen oder hineinhüpfen. Einige jüngere Kinder ziehen sich den Pullover über den Kopf. Die Illusion, dass es gerade aus Eimern schüttet, ist perfekt und Immersion das Zauberwort: Erleben mit allen Sinnen.
Als wir kaum noch das eigene Wort verstehen, öffnet sich ein neuer Raum. Hier ist es ruhiger und heller. Die Ruhe nach dem Sturm. Die Kinder schauen sich um und erklettern Inseln, auf denen sie Wasser in allen möglichen Zusammenhängen – vom Rauschen eines Wasserfalls oder einer Toilettenspülung bis zum Schwanken beim Seegang – erleben.
Überall Wasser
Dass es im ANOHA keine Hinweistafeln gibt, fällt uns nur auf, weil die uns begleitende Leiterin der Kinderwelt und Lehrbeauftragte für Interkulturelle Kompetenz an der TU Berlin Ane Kleine-Engel darauf aufmerksam macht. Und es funktioniert: Die Kinder erfahren nichts über die Sintflut. Sie erleben sie. Ihnen wird nichts über die Arche erzählt. Sie bauen ihr eigenes Schiffchen und lassen es nicht aus den Augen, bevor es heile am Ende des Wasserkanals angekommen ist. Sie werden nicht über Artenvielfalt belehrt. Jedes Kind entdeckt die aus wiederverwerteten Materialien kunstvoll und robust zugleich hergestellten Tiere mit eigenen Augen und je nach Alter interessieren sie sich für andere Details. Für die einen ist z.B. die Riesenschlange ein Klettergerüst, für die anderen eine Hängematte oder eine Kuschelhöhle.
Gut Beraten
Die Kinder werden auch nicht darüber informiert, wie sie Tiere in Not retten können. Sie nehmen sie intuitiv mit auf ihrem Weg in das Herzstück der Kinderwelt – eine riesige runde, vom US-amerikanischen Büro Olson Kundig Architecture and Design entworfene Arche aus Holz. Große Tiere tragen sie gemeinsam und den riesigen Eisbären mit der Besenschnauze und den Uhren-Augen ziehen sie an einer Art Seilbahn hinein.
Mit der Idee, die Tiere nicht nur in der Arche, sondern auch auf dem Weg zur Arche zu platzieren, beschäftigte sich auch der Kinderbeirat, der jährlich neu von ca. 20 sechs- bis zwölfjährigen Kindern verschiedener Berliner Grundschulen besetzt wird. Die Kinder wirken aktiv bei der Gestaltung des Museums mit, z.B. mit ihrem Plädoyer für den Namen ANOHA, welcher der Bezeichnung »Arche Noah« zwar nahe kommt, für Kinder und NichtmuttersprachlerInnen aber leichter auszusprechen ist. Eine andere ihrer Ideen rührt uns besonders: Kleine Tiere wie die Hamster oder Mäuse bekamen eigene kleine Eingänge zur Arche. Dafür, dass von den Ameisen ein ganzes Volk und nicht nur ein Paar in die Arche unterwegs ist, hat Ane Kleine-Engel eine religionswissenschaftlich fundierte, wie evolutionsbiologisch nachvollziehbare Erklärung: In der jüdischen Überlieferung der Sintflutgeschichte geht es um die Rettung der Welt vor der Zerstörung durch die Menschen. Dieser uralte Text handelt auch von Biodiversität, denn es sollen alle Tierarten des Landes und der Luft an Bord gehen, damit ihr Fortbestand gesichert ist: »Und bei Ameisen z.B. sind das nun mal mehr als zwei. Sie überleben nur in der Gemeinschaft.«
Andreas Münzer ist Diplom-Designer, Filmemacher und Fortbildner im Elementarbereich und spürt gemeinsam mit der Journalistin und Körperpsychotherapeutin Jutta Gruber Impulse für die Elementarpädagogik auf. Sie engagieren sich für eine Humanistische Pädagogik, die ganzheitlichem, partizipativem und mit den Lebensthemen, Anliegen und Fragen der Kinder verbundenem Lernen Raum gibt.
Kontakt
www.andreas-muenzer.de, www.juttagruber.de
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03-04/2022 lesen.