Vielfalt Leben
Die Vater-Mutter-Kind-Familie hat Gesellschaft bekommen. Warum das so ist, was neue Lebensentwürfe, Partnerschafts- und Familienmodelle attraktiv macht und welchen Gewinn wir daraus ziehen können, interessiert Betrifft KINDER in der Reihe »Vielfalt Leben«. Sandra und Sabrina Lukas z.B., die Eltern des vierjährigen Mats und der fünf Monate jungen Enni. Jutta Gruber traf sie auf dem Hunsrück, wo die Kita- Leiterin und die Erzieherin keine Unbekannten sind.
Tom Sessa aus dem wild-romantischen Nahetal bei Idar-Oberstein erzählt gern, was er als erstes dachte, als Sandra Lukas ihm vor gut zehn Jahren ihre Gefühle zu seiner ehemaligen Schulkameradin Sandra anvertraute. Der Sozialarbeiter bereitete zu dieser Zeit eine Fortbildungsreise für JugendleiterInnen vor. »Weil Sabrina die erfahrenste meiner Begleitpersonen war, war ich in diesem Moment einfach nur froh, dass hinter ihrer bedeutungsvollen Miene keine Absage steckte.« Ob die beiden gut zusammenpassen, hat er sich nie gefragt: »Die müssen doch miteinander klarkommen und nicht ich und ganz offensichtlich passt es ja mit den beiden.«
Nicht mal das Missgeschick, dass er zum Polterabend sein altes Geschirr vor dem falschen Haus zerschlug, konnte dem Glück etwas anhaben: Inzwischen sind sie nicht nur glücklich verheiratet, sondern auch Mütter des vierjährigen Mats und der fünf Monate jungen Enni. Weil es gleichgeschlechtlichen Paaren 2014 von Rechts wegen nicht möglich war, eine Ehe miteinander einzugehen, feierten sie die Eintragung ihrer Lebenspartnerschaft im großen Stil. »Alle waren da! Sogar fast meine komplette Handballmannschaft!«, erinnert sich die heute 41-jährige Kita-Leiterin Sandra Lukas.
Für sie stand lange Zeit der Sport an erster Stelle: »Ich spielte in der Regionalliga, trainierte neben Schule und später Ausbildung und Arbeit quasi täglich und kenne fast jeden Sportplatz in ganz Deutschland. Für eine Beziehung hatte ich schlicht keine Zeit und mir hat das auch nicht gefehlt. Letztlich aber ist der Groschen, dass meine Zukunft an der Seite einer Frau ist, vor allem deshalb relativ spät gefallen, weil es lange Zeit kein passendes Gegenüber für mich gab. Weder in meinem Dorf, noch auf der Arbeit und auch beim Handball waren alle Teamkolleginnen in einer Beziehung mit einem Mann.«
Nicht nur für den Schein
Die Eheschließung 2018 war reine Formsache. »Mit dieser Art Upgrade folgten wir der Empfehlung unseres Notars, in rechtlichen Belangen immer das abzuschließen, was aktuell möglich ist, und öffneten den Weg zum gemeinsamen Sorgerecht für unseren damals anderthalbjährigen Sohn Mats«, führt Sabrina Lukas weiter aus. Weil für sie immer schon klar war, dass sie einmal Kinder haben möchte, war das zu Beginn der Beziehung die Gretchenfrage: »Glücklicherweise war es für Sandra auch so, dass Kinder zu ihrem Leben dazu gehören. Ich bin sicher, dass es mit uns nicht funktioniert hätte, wenn das für sie kein Thema gewesen wäre.« Anfangs dachte die acht Jahre jüngere Erzieherin, dass sie »einfach nur gern Zeit mit Sandra verbringt. Sie war doch meine Arbeitskollegin, meine Chefin!«
Die Einsicht, dass ihre Gefühle über das Kollegiale und Freundschaftliche hinausgehen, traf sie wie ein Blitzschlag. »Da hatte ich dann schon ein paar schlaflose Nächte. Ich war 22 Jahre alt, wohnte noch bei meinen Eltern und war bis dahin immer nur mit Männern zusammen. Die Beziehung mit einer Frau hatte ich nie überhaupt nur in Erwägung gezogen.« Der Einsicht folgte eine Zeit des inneren Zwiegesprächs. Grundsätzliche Fragen wie »Steh ich dazu und bin glücklich oder verleumde ich meine Gefühle und seh’ zu, dass sie wieder weggehen, um mit dem Strom zu schwimmen?« wollten gedreht und gewendet und beantwortet werden. »Meist ist es ja ein längerer Prozess, bis eine Frau ahnt oder weiß, dass sie lieber mit einer Frau als mit einem Mann zusammen sein möchte. Aber bei mir ging das Knall auf Fall. Und ehrlich gesagt, ich habe mich in Sandra verliebt, weil sie Sandra ist – in ihren Charakter, ihre Persönlichkeit – und nicht, weil sie eine Frau ist. Ich wüsste auch nicht, ob ich mich noch mal in eine Frau verlieben würde.«
Jutta Gruber M. A. studierte Philosophie, Germanistik und Pädagogik. Sie war Vorstandsmitglied im Bundesverband Natürlich Lernen e.V., lebt und arbeitet als Autorin, Journalistin und Heilpraktikerin für Psychotherapie in Berlin und Landsberg am Lech und hat eine erwachsene Tochter.
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Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 11-12/2020 lesen.