Was Kita-Namen bedeuten
Liebe Leserin, lieber einsamer Leser,
ein neuer Erdenbürger ist da: Räbää, räbää! Wie soll er eigentlich heißen? Die Auswahl eines passenden Namen ist für alle Eltern schwierig – erst recht, wenn das Baby mehrere hundert Quadratmeter groß ist, eine Haut aus grauem Waschbeton hat und das ratlose Eltern-Team aus diversen Erzieherinnen, dem Elternausschuss und Bürgermeister Giesebrecht besteht, die alle ihre Vorstellungen von einem gelungenen Kita-Namen haben.
Wohl dem, der einen guten Kita-Namenberater kennt – nämlich Achim Kniefel, den Autor dieser Zeilen, der alle Kita-Namen der Welt kennt, ihre Bedeutung erklären kann und demzufolge weiß, welcher besonders gut zu Ihnen passt.
Vorhang auf für die erste deutsche Kindergarten-Namensberatung!
Gib mir Tiernamen!
»Flohkiste«
Erst ist es nur so ein Gefühl: Besucher Ihres Hauses – eine schon länger bestehende Einrichtung mit solidem, sich angedrohten Renovierungen stets verweigernden Bauzustand – fangen nach wenigen Schritten an, sich hier und da zu kratzen. Ein Blick auf den Wechselwäschekübel verstärkt den Juckreiz, und nach einem tiefen Atemzug Bewegungsraumluft wird aus der Ahnung Gewissheit: Ihr Haus sollte den überaus passenden Namen »Flohkiste« tragen! Beliebte Varianten: »Läusehausen« oder »Krätzmilbenburg«.
»Glühwürmchen«
Klein, hässlich, borkig und der Familie der Weichkäferartigen entstammend: So verbringt der Namensgeber des »Glühwürmchen«-Kindergartens etwa elf Monate des Jahres. Nur ein Mal jährlich, im Juni, bricht sich der Drang nach Höherem im Kerbtierhirn Bahn: Mit seiner Po-Innenbeleuchtung versucht der Käferbock – bitte mal die Kinder rausschicken, das ist jetzt echt nur für Erwachsene – Käferinnen zur Paarung anzulocken, die dann im pornografischen Schummer-Po-Licht stattfindet. Wer noch rätselt, was an diesem bizarren Paarungsritual Kita-Benennungs-Qualitäten aufweist, sei aufgeklärt: Kitas, die sich »Glühwürmchen« nennen, neigen dazu, im Juni durch ein leuchtpoartiges Super-Projekt betreuungswillige Eltern anzuziehen. Die Projekte in den restlichen elf Monaten entsprechen der Namensgebung ebenfalls: klein, hässlich, borkig und eher nicht vorzeigbar.
»Tausendfüßler«
Sie betreuen 500 Kinder, die stets im Gleichschritt unterwegs sind und als Individuen nicht wahrgenommen werden können? Warum lange überlegen? »Tausendfüßler« sagt doch alles!
»Sonnenkäfer«
Kinder lieben die Sonne. Deshalb beginnen viele Kita-Namen mit der Bezeichnung dieses Zentralgestirns, der guten Mutter des Sternenhimmels, auf die – im Gegensatz zum halben, vollen oder abwesenden Mond – stets Verlass ist. Was aber sind Sonnenkäfer? Der »Naturführer« kennt sie nicht. Dennoch wissen wir etwas über sie, so dass der Verwendung als Namensgeber nichts im Wege steht: Zwar glauben diese Käfer zwanghaft an Hierarchie – erst kommt der Sonnenkäferpapa… –, aber in punkto Kleidung setzen sie Gender-Maßstäbe. Unabhängig von Alter und Geschlecht tragen alle die gleiche Robe, nämlich rote Röckchen mit schwarzen Punkten drauf. Chapeau!
»Spatzenhausen« und »Spatzennest«
Herrlich, die ersten warmen Tage! Endlich wieder draußen sitzen im Café und lecker frühstücken oder Torte essen! Leider gibt es da kleine Herrschaften, die immer wieder stören. Krümel hinwerf, genervt sei, verscheuch! Wer diese Erfahrungen mit Kindern macht, sollte seine Einrichtung konsequenterweise »Spatzenhausen« nennen. Unterschätzte Variante: »Taubennest«.
Erzähl mir Märchen!
»Zwergenparadies« und »Zwergenschloss«
Uralt, bärtig und albern bemützt, manchmal listig und geizig, meist aber hilfreich und untertänig: So sind Zwerge. Deshalb kann man sie kaum von Kindern unterscheiden. Problematischer als die fidelen Klein-Menschen ist ihre Behausung – siedeln Zwerge doch in der Regel unter fauligen Baumstämmen oder in feuchten Höhlen. Einrichtungen, die sich »Zwergenschloss«, »Zwergenparadies oder »Wichtelbaude« nennen, möchten damit zum Ausdruck bringen: Für uns Große sind die Räume zwar im wahrsten Sinne des Wortes unterirdisch, klamm und grottig, aber für die kleinen Bewohner sind sie das Paradies! Mögliche Variante: »Gnomenpalast«.
»Bummi-Oase« und »Bambini-Oase«
Ja, die Welt ist für Kinder eine Wüste. Wer nicht verdurstet, hat es wahrscheinlich gerade noch geschafft: in eine Oase, in der Kinder mit (anderen) Kamelen im Schatten von Palmen (Pädagoginnen) Wasser (Bildung) kriegen. Mögliche Variante: »Riesen-Wüste«.
»Dornröschen«
Gehört zu Ihrem Team auch eine dieser Kolleginnen, die immer zu spät kommen, deren öde Angebote die Kinder in lang anhaltenden Mittagsschlaf versetzen und die sich trotz offensichtlicher Defizite stets gemobbt fühlen? Dann ist »Dornröschen« der Kita-Name Ihrer Wahl. Ihre Aufgabe: Die nächsten 100 Jahre nichts verändern, gut abschotten und aufpassen, dass kein Mann kommt.
»Schneewittchen«
Sind Sie eine sehr gut aussehende und zarte junge Frau, die trotz bester Voraussetzungen ihre Tage unter komischen kleinen Wesen verbringen muss? Die aus diesem Jammertal aber errettet werden kann, wenn sich endlich der Traumpartner einstellt? Dann ist »Schneewittchen« der richtige Name für Ihre Einrichtung. Aber: Achten Sie bitte auf Besucherinnen mit überraschend günstigen Angeboten von Obst oder Schnürriemen: Man muss nicht alles kaufen!
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03/14 lesen.