Offener Brief an Barbie anlässlich eines Besuchs im Barbie-Dream-House
Liebe Barbara Millicent Robert,
lange hatte ich nichts von Dir gehört, auch wenn wir uns gelegentlich sahen: Im Kinderzimmer ragten Deine Beine manchmal aus einer jener Kisten, nackt, rosa und unendlich lang. Doch Deine Stimme, die meine damals noch jüngeren Töchter übernahmen, machte sich schon vor einiger Zeit rar. Nun aber ludest Du mich ein. »Besuch mich«, schriebst Du auf Deiner Website und versprachst mir mit Deinem »Barbie-Dream-House« in Berlin eine »einzigartige interaktive Installation« und »noch nie dagewesene Einblicke in Interieur und Lifestyle der bekanntesten Puppe der Welt«. Auch ich war noch nie dagewesen – also los!
Wie gut Du Dich an Berlin anpassen kannst, ist mein erster Gedanke, als ich vor Deinem Haus stehe. Klar, der Springbrunnen aus Plastik und die rosa Wände wirken nobel. Aber dass Du Dein Haus direkt am S-Bahn-Bogen, gegenüber einem schlecht asphaltierten Parkplatz errichtetest, beweist Deinen Sinn für Bescheidenheit. Auch die Menschen, die Dich mit mir besuchen, entsprechen eher nicht dem Klischee von Luxus: Rauchschwaden verströmende Omis mit pinken Enkelinnen. Lederbejackte Väter, deren einzige Großinvestition das Smartphone ist, mit verträumten Töchtern, die Dein Ebenbild mit sich tragen und es flüsternd auf den Besuch bei Dir vorbereiten.
In Deiner Eingangshalle ist alles wie erwartet: viel Rosa, zur Abwechslung Pink, dazu Gold und Silber. Zu deiner Wohnung führt ein Aufzug, bestehend aus einem Zimmerchen mit Rüttelplatte als Boden und einem Monitor, der Aufwärtsbewegung simuliert. Eine freundliche Lakaiin bedient den Aufzug und gibt den Weg in den ersten Raum frei: Viel Spaß in Barbies Küche!
Wer so gut aussieht wie Du, dachte ich immer, muss sich vorbildlich ernähren: nur Obst, vielleicht ein mageres Putensteak, Mineralwasser… Deshalb schockiert mich, dass ich in Deiner Küche ausschließlich Süßigkeiten entdecke: Gummibären (echte!) hinter Plexiglas in der Schublade, Lollies in Hülle und Fülle. Und am Herd kann man per Computerspiel Muffins backen. Wie machst Du das, Barbie? Immer gut aussehen – aber nur Süßes einwerfen?
Dein Schlafzimmer, schöne Frau, macht mich ratlos. Diese Vitrine mit den vielen Hochzeitstorten zum Beispiel: Stammten die alle von einer Hochzeit? Oder von verschiedenen?
Dein Bett immerhin spricht dafür, dass Du ein wahnsinnig heißer Feger bist. Einen Schlitten mit Matratzen besitzt Du, der wie ein Jahrmarktauto wild hin und her geschüttelt werden kann, gesteuert von einem Lakaien am Joystick… Barbie, so lasziv kannte ich Dich gar nicht.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 08-09/13 lesen.