Wer sind diese cirka 70 Zentimeter großen Wesen in unterschiedlichen Hautfarben, die Erwachsene und Kinder in ihren Bann ziehen? Was unterscheidet sie von einem Teddybären, dem man als Kind seine Geheimnisse anvertraut, oder vom Tamagotchi, das mit regelmäßigem Piepsen an seine Bedürftigkeiten erinnert? Was ist dran an ihnen, dass Kinder, die als zurückhaltend, schüchtern und wortkarg gelten, sich im Austausch mit den Puppen in sprudelnde, mitteilsame Jungen und Mädchen verwandeln? Wie kommt es, dass scheinbar schwierige Themen mit Hilfe der Puppen zu angeregten Diskussionen führen? Ist es Magie? Viele Fragen. Anke Krause antwortet und beschreibt die Methode. Ja, es ist Magie. Aber mit Methode.
Die Persönlichkeiten der Puppen und die Geschichten, die sie erleben, ziehen Kinder in ihren Bann. Die Puppen sind wie die Kinder: Sie haben Namen, eine Familie, sie sprechen eine oder mehrere Sprachen, sie haben beste Freunde und Freundinnen, gehen in die Kita oder Schule, mögen Spaghetti und können Brokkoli nicht ausstehen, sie würden lieber im Bett bleiben als morgens um sieben aufzustehen, fahren mit Begeisterung Fahrrad oder Tretroller, haben sich die Knie und Ellbogen zerschrammt, lernen gerade, Schleifen zu binden, erleben Lustiges und Trauriges – wie die Kinder, die sie besuchen.
Eine Freundin kommt zu Besuch
Die Persona Doll kommt nach Möglichkeit zwei bis drei Mal im Monat zu Besuch in die Kindergruppe. Die Kinder sitzen im Kreis und erwarten sie bereits. Die Persona Doll sitzt auf dem Schoß der Erzieherin, und diese erzählt den Kindern, was die Puppe erlebt hat. Die Puppe spricht also nicht selbst.
Ab und zu beugt die Erzieherin ihren Kopf zu der Puppe hinab, um genau hören zu können, was sie den Kindern sagen will. Danach berichtet die Erzieherin den Kindern in der dritten Person, was sie gehört hat, führt das Gespräch, lässt die Kinder von sich erzählen und ihre Gedanken entwickeln.
Zwar wissen die Kinder, dass die Persona Doll nur eine Puppe ist und »wir nur so tun, als ob«, aber sie engagieren sich schnell in dem Dialog, der sich rund um die Erlebnisse der Puppe entspinnt.
Die Puppe repräsentiert die Kinder der Gruppe, und ihre Geschichten repräsentieren die Erlebnisse der Kinder. Deswegen dürfen es nicht nur problembeladene Geschichten sein, die die Persona Doll erzählt. Sie sollen auch von freudigen und schönen Begebenheiten oder von Erlebnissen handeln, die die Kinder bisher nicht hatten. Anderen Geschichten liegt eine Situation zugrunde, die sich in der Kindergruppe abgespielt hat, oder ein Thema, über das die Kinder noch nie geredet haben,
obwohl es in ihrer Umgebung eine Rolle spielt. Dadurch erweitern die Geschichten der Persona Doll den Horizont der Kinder.
Die Persona Doll bietet den Kindern eine Vielzahl von Identifikationsmöglichkeiten und Gelegenheiten, Gemeinsamkeiten zu entdecken. In den ersten Begegnungen schließen sie Freundschaft mit der Puppe. In den Gesprächen rund um die Erlebnisse der Persona Doll entdecken die Kinder Gemeinsamkeiten, von denen sie so noch nicht wussten. Und sie teilen ihre Erfahrungen miteinander: Was hilft, wenn man sich das Knie aufgeschrammt hat?
Trost von Mama, ein Keks, Pusten oder das Lieblingspflaster. Gemeinsam mit der Persona Doll entdecken die Kinder auch bislang Unbekanntes:
Wie fühlt es sich an, auf dem warmen Rücken eines Pferdes zu sitzen, das ganz groß ist? Wie ist es, beim Onkel hinten auf dem Fahrrad zu sitzen und den Berg hinabzusausen? Oder sich im Kaufhaus zu verirren... In beiden Fällen, im Austausch über Gemeinsamkeiten und über Unterschiede, entdecken die Kinder neue Wörter, mit denen man Erlebnisse und Gefühle beschreiben kann.
www.kinderwelten.net
KINDERWELTEN macht mit dem Projekt zur vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung in Kitas auf Einseitigkeiten aufmerksam, die Bildungsprozesse von Kindern behindern, und bietet Kitateams oder Trägern ein erprobtes Konzept zur vorurteilsbewussten Praxisentwicklung. Unter > Persona Dolls findet sich ein Fachtext und Informationen zur Fortbildung.
www.persona-doll-training.org
Umfangreiche internationale Website zum Umgang mit Persona Dolls. Darüber hinaus gibt es viele Links (englisch) zu interessanten Seiten.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03/07 lesen.