Partizipation in Kindertageseinrichtungen
Rüdiger Hansen, Raingard Knauer und Benedikt Sturzenhecker beschreiben in ihrem neuen Buch, wie Demokratiebildung von Anfang an gelingt. Eine Leseprobe, Teil 2, exklusiv für Betrifft KINDER-Leserinnen und Leser vorab.
Bei welchen Themen können Kinder sich beteiligen?
»Ich hab ja schon erlebt, dass Kinder beteiligt werden, wenn Spielplätze geplant werden. Und im Alltag gibt es ja auch viele Themen, über die man sie mitentscheiden lässt. Aber gibt es nicht auch Themen, über die sie nicht mitreden können? Wie kann man denn feststellen, was ein Beteiligungsthema für die Kinder ist und was nicht?«, fragt eine Erzieherin bei einer Fortbildung.
Wenn Partizipation heißt, Entscheidungen, die das eigene Leben und das Leben der Gemeinschaft tangieren, zu teilen, können Kinder grundsätzlich bei allen Themen, die sie in der Kindertageseinrichtung betreffen, beteiligt werden. Das beginnt bei der Auswahl der geeigneten Bekleidung für den Aufenthalt im Freien, geht über die Zusammenstellung der Einkaufsliste für das gemeinsame Frühstück, die Wahl von Projektthemen und die Organisation von Festen bis hin zu grundsätzlichen Planungen für die Einrichtung wie Entscheidungen über Personalfragen und Finanzen.
Welche Bandbreite möglicher Beteiligungsthemen gibt es?
Bei der Einführung von Partizipation stehen zunächst grundsätzlich alle Entscheidungen in einer Kindertageseinrichtung zur Disposition. Die Beteiligungsthemen werden sich im Laufe der Zeit ändern, weil sich die Interessen der Kinder ändern, weil im Alltag neue Probleme gelöst werden müssen und weil sich die Fachkräfte mit zunehmender Partizipationserfahrung sicherer fühlen, Kinder auch bei komplexeren Fragestellungen zu beteiligen.
Die Bandbreite möglicher Beteiligungsthemen lässt sich im Überblick vier Bereichen zuordnen:
- Themen, die vor allem das einzelne Kind selbst betreffen (hier stellt sich auch die Frage nach dem Recht der Kinder auf Selbstbestimmung)
- Themen, die Fragestellungen des gemeinsamen Zusammenlebens in der Gruppe und in der Einrichtung betreffen
- Themen, die mit komplexen Planungen und Entscheidungen über grundsätzliche Fragestellungen zu tun haben
- Themen, die Fragestellungen außerhalb der Einrichtung einschließen.
Themen, die vor allem das einzelne Kind selbst betreffen
Aus der Perspektive der Kinder sind zunächst die Themen bedeutsam, die direkt mit ihrer eigenen Person zu tun haben: Darf ich selbst oder mitentscheiden, was ich esse und wie viel ich esse? Darf ich selbst oder mitentscheiden, ob ich eine Jacke anziehe, wenn ich rausgehe, oder ob ich drinnen Hausschuhe trage? Darf ich selbst oder mitentscheiden, was ich spiele und mit wem ich spiele? Diese Themen können sowohl Mitbestimmungsthemen sein (Kinder und Erwachsene entscheiden gemeinsam) oder den Kindern als Selbstbestimmungsthemen zugestanden werden (die Kinder dürfen alleine entscheiden).
»Die Kinder selbst entscheiden zu lassen, was sie essen wollen, war für uns ein heikles Thema. Einige Kolleginnen hatten Sorge, dass sie dann nur noch Süßes essen würden, und meinten, dass wir ihnen doch auch vermitteln müssen, was gesundes Essen ist. Ich habe mich dann erinnert, wie das für mich als Kind war. Ich musste immer Spinat essen, obwohl ich den gar nicht mochte. Das war ganz schrecklich. Und ich musste immer alles aufessen. Bis heute habe ich dadurch kein gutes Gefühl dafür, wann ich satt bin. Ich merke immer erst, wenn der Teller leer ist, dass ich mal wieder zu viel gegessen habe«, erzählt eine Erzieherin nach einer Partizipationsfortbildung.
Gerade die Diskussionen um mögliche Rechte der Kinder auf Mit- oder Selbstbestimmung in ihren eigenen Angelegenheiten werden von den Fachkräften häufig intensiv und kontrovers geführt. Viele Erwachsene sind zunächst durchaus bereit, Kinder bei der Frage, wie sie sich kleiden, zu beteiligen. Was aber, wenn sie an einem kühlen Novembertag ohne Jacke nach draußen zum Fußballspielen gehen wollen? Die Erwachsenen sind vielleicht bereit, Kinder selbst bestimmen zu lassen, was und wie viel sie essen wollen. Was aber, wenn Sabrina nicht bereit ist, Gemüse auch nur zu probieren? Und wie ist das mit der vermeintlich leichten Frage nach der Selbstbestimmung beim Spielen, wenn wir beobachten, dass Ilja seit einem Monat nur in der Bauecke aktiv ist und sich auf keines der anderen Angebote einlässt? Muss er sich nicht wenigstens ab und zu auf Themen wie Rollenspiel, Basteln oder Kochen einlassen? Und gibt es ein Recht auf Intimsphäre auch für kleine Kinder – zum Beispiel beim Thema Wickeln?
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 06-7/11 lesen.