Menschenskinder: Freiraum braucht Beweglichkeit
Powernap in der Hängematte bei sommerlichen Temperaturen kann jede:r. Aber mit Pudelmütze und in eine wärmende Decke eingemummelt im Spätherbst? Im Garten der Kita Menschenskinder im Berliner Stadtteil Friedrichshain kommt das vor. Und einiges mehr, was erst auf den zweiten Blick selbstverständlich scheint. Warum und wofür das auch gut so ist, erfährt unsere Redakteurin Jutta Gruber im Gespräch mit Oliver Broz. Er muss es wissen, denn der Erzieher arbeitet hier seit mehr als zwei Jahrzehnten.
An einem überraschend sonnigen Herbsttag führt mich der Erzieher Oliver Broz durch das Außengelände der Kita Menschenskinder im Berliner Stadtteil Friedrichshain. Wobei »Außengelände« bei all der üppigen Natur nur teilweise dem entspricht, was man sich darunter gewöhnlich vorstellt. Durch ein offenstehendes Holztor gelangen wir in einen Bereich, der mich an Frances Hodgson Burnetts »Der geheime Garten« erinnert – jede Menge Gebüsch, schattenspendende Bäume, hochgewachsene Gräser und Blumen und sogar Brennnesseln. Als wir uns auf einer urigen Holzgarnitur – Typ Eigenbau – niederlassen, flattern zwei Zitronenfalter an uns vorbei. Inmitten dieser für eine Großstadt überraschenden Flora und Fauna wirkt Oliver Broz gut geerdet. Er scheint mit jedem Fleck des Außenbereichs der Kita Menschenskinder und des gleichnamigen und mit der Kita Hand in Hand arbeitenden Familienzentrums vertraut, und Gedankenlesen kann er offensichtlich auch: »Wir wollen das so wild haben. Die Kinder sollen sich ja auch mal durch Büsche durchdrücken und Wildblumen pflücken können. Auch die Leute vom Gartenbauamt staunen regelmäßig, weil wir nicht wollen, dass sie alles kurz schneiden. Perfekte Teppichlandschaften haben die Kinder doch schon zuhause.«
Offengestanden
Die Vorstellung, dass Kinder nicht selbstbestimmt entscheiden dürfen, wann sie nach draußen gehen, muss er sich in Erinnerung rufen: »Wir kennen das hier so gar nicht. Also eine Grenze zwischen Drinnen und Draußen. Höchstens für manche Materialien, die im Außenbereich verloren gehen oder Schaden nehmen könnten.« Auch Bescheid sagen müssen die Kinder nicht, außer es wäre mal kein Erwachsener draußen. Wobei aber auch das eine wichtige Erfahrung sein könne. Gerade Vorschulkindern würde man hin und wieder ermöglichen, auch mal allein rauszugehen oder vielleicht in Dreiergruppen. »Wir besprechen das vorab mit ihnen und sagen ihnen auch, dass wir dann nur alle paar Minuten nach ihnen gucken und ihnen ›Ist alles gut!‹ zurufen. Die genießen das richtig, wenn sie merken, dass ihnen das zugetraut wird.« Ob drinnen oder draußen: Die Kinder der Kita Menschenskinder stehen nicht unter ständiger Beobachtung. »Und da spielt natürlich Vertrauen eine wichtige Rolle – und dass man sich an Regeln und Absprachen hält und z.B. bestimmte Werkzeuge nicht mit nach draußen nimmt.« Mit den Regeln würden die Kinder mit der Zeit vertraut: »Es wird niemand mit der Gabe geboren, alles über sich und die Welt und die Gefahren in der Welt zu wissen. Kinder lernen am besten durch ausprobieren.
Würden wir sie aus unserer Erwachsenenperspektive reglementieren, würden wir ihnen auch vermitteln, dass wir es sind, die immer bestimmen, wann man was darf und was nicht.« Ihre Aufgabe verstehen Oliver Broz und seine Kolleg:innen vielmehr darin, zu beobachten, was ein Kind gerade bewegt, es dabei zu bestärken und ihm anzubieten, was es dafür brauchen könnte. Dafür würden sie oft selbst kreativ. Wenn Kinder z.B. viel Zeit mit dem Konstruieren im Werkraum verbringen, bieten sie Alternativen im Garten an, wo man mit Akkuschrauber und Akkustichsäge vielleicht etwas noch Größeres bauen kann. Ein Teil des Gartens wurde dafür vor einiger Zeit sogar zu einer Art Abenteuerspielplatz umgebaut.
Oliver Broz entschloss sich in Verbindung zur Geburt seiner Tochter für die Erzieher:innenausbildung. 2000 war er einer von insgesamt vier Erzieher:innen der Kita Menschenskinder. Heute begleiten in der Einrichtung mit naturpädagogischem Anspruch 26 Mitarbeitende insgesamt 100 Kita- und Krippenkinder nach dem Early Excellence-Ansatz. In 2018 belegte das Team für seine auch über die Einrichtung hinaus gelebte Demokratie, Teilhabe und Solidarität den 2. Platz beim Deutschen Kita-Preis. Wer Freude daran hat, sich einzubringen und auf Neues einzulassen, Dinge auszuhandeln und voneinander zu lernen, ist herzlich eingeladen, die Stellenanzeigen auf www.menschenskinder-berlin.eu zu lesen oder einfach unter der Telefonnummer 030.235 999 610 anzurufen.
Kontakt
www.menschenskinder-berlin.eu
Bilder: Oliver Broz
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 09-10/2023 lesen.