Zu Besuch in einer Kinderimkerei
Dass Bienen stechen, wissen die meisten Kinder. Doch wie sie in einem Staat zusammenleben, Waben bauen und Honig produzieren, das erfahren viele erst bei André Soudah in der Kinderimkerei. Der Bienenfreund lädt mit seinem Herzensprojekt ein, auch die sanfte Seite seiner fleißigen Insekten kennenzulernen.
Wir folgen einem kleinen Trampelpfad durch ein Meer aus weißen Blüten, es liegt noch Bärlauchduft in der Luft. Überall schimmern die saftigen Grüntöne, und einzelne Farbtupfer markieren unseren Wegesrand. An einer kleinen Einbuchtung halten wir, hier ist der Schlafplatz der Rehe, erklärt André Soudah, und berichtet uns, dass er neben dem Rehkitz auch Waschbären, Wildschweine oder Füchse auf seinem Weg zur Arbeit trifft. Das langgestreckte Naturreservat im Leipziger Auwald ist vor allem für seine Eisvögel bekannt, aber auch andere Tiere fühlen sich dort besonders wohl. Die Lieblingstiere vom Imker eben auch. Heute möchte er der Kindergruppe das Imkern näherbringen, und dafür folgen wir ihm zu seinem Vereinsgelände.
Bis André beim Honig gelandet war, durchlief der ausgebildeter Diplomkaufmann viele Stationen in seinem Leben. Jahrelang hatte er Unternehmen beraten, später Informatik studiert und vor vier Jahren den Quereinstieg als Lehrer gewagt. Durch einen Imkerkurs entdeckte der damalige Gymnasiallehrer dann seine Liebe zu den Bienen und machte sein Hobby kurzum zum Beruf. Heute versteht der Imker sich vor allem als Umweltpädagoge: »Mich hat von Anfang an interessiert, wie ich das Imkern den Kindern vermitteln kann. Deswegen habe ich die Kinderimkerei ins Leben gerufen. Lernen geht nur übers Erleben.«
An einer Feuerstelle setzen wir uns zusammen, in der Mitte liegt ein kleiner Rahmen aus Holz. Die Kinder erkennen sofort, dass er den Bienen gehört, und sind sehr neugierig, warum er hier liegt. André erklärt uns, dass man diese vorgefertigten Rähmchen für den Waben- bau eigentlich ewig benutzen kann, nur ist dieser an der Seite gerissen. Die Kinder können es kaum erwarten, auf die Bienen zu treffen. Manche sind voller Vorfreude oder Neugier, andere haben auch große Angst. Ein Kind erzählt, dass es einmal von einer Biene gestochen wurde. Einige Kinder nicken: Das ist ihnen auch schon passiert. Der Imker fragt sie, woher sie denn wissen, dass es Bienen waren? Ob sie die nicht vielleicht mit Wespen verwechseln? Nein, die Kinder sind sicher: Das waren Bienen. Sie wissen schließlich, wie die aussehen.
Von der Biene zur Drohne
Wir folgen André auf die Wiese vor den Bienenstöcken. Bevor wir in die Schutzanzüge krabbeln, schauen wir uns Abbildungen an, auf denen die Biene deutlich vergrößert zu sehen ist. Wir können die Füße und Flügel zählen und die Fühler im Detail betrachten. Dass es neben der Bienenkönigin und den Bienen auch noch die männlichen Drohnen gibt, das wussten viele nicht. Schließlich nennen wir die meisten schwarzgelb gestreiften Insekten einfach Bienen. Dass eigentlich nur die Weibchen des Bienenvolkes Bienen heißen, ist eine weitere Neuigkeit. Auf den Bildern sind die äußerlichen Unterschiede zwischen den Weibchen und den Männchen gut zu erkennen. Die Drohne hat größere Augen und einen größeren Körper als ihre weiblichen Verwandten. Die Königin erkennen wir vor allem an ihrem langen Körper. Dass nur die Biene stechen kann und dies nur in der größten Not tut, beruhigt die Kinder ein wenig.
Der Imker erklärt ihnen auch, dass die Biene beim Stechen ihren ganzen Po samt Stachel verliert und daran stirbt, weswegen sie immer versuchen wird, eine andere Möglichkeit zu finden, als zu stechen. Kinder an Bienen heranzuführen, sieht der Bienenschützer als eine wichtige Aufgabe, um das Bienensterben zu stoppen. Er möchte deutlich machen, warum kein Insekt einfach getötet werden sollte und wie wichtig diese kleinen Lebewesen für unser aller Leben auf der Welt sind. Schließlich bestäuben sie einen Großteil der blühenden Pflanzen. Doch die fleißigen Helfer werden immer weniger. Nur noch ca. 20.000 Bienenarten gibt es weltweit, wovon mehr als 600 in Deutschland leben. Die Hälfte davon ist jedoch vom Aussterben bedroht. »Als Pädagoge möchte ich Wissen vermitteln und Ängste abbauen. Viele haben schlechte Erlebnisse in ihrer Kindheit gemacht. Ich bin hier, um sie zu besänftigen«, erklärt mir André, bevor wir in die weißen Schutzanzüge schlüpfen. Sie bestehen aus einer Jacke mit einem Hut, den ein Fliegennetz säumt. »Da kommen auch wirklich keine Bienen durch?«, fragen die Kinder noch immer aufgeregt. Der Imker zeigt ihnen mit seinem summenden Finger, dass es für die Biene wirklich unmöglich ist, durch das Netz zu fliegen. Im nächsten Schritt bereiten wir den Raucher vor. Er suggeriert den Bienen, dass es brennt, und sie verziehen sich in ihren Bienenstock. Ein Kind assistiert André und hilft, getrocknetes Gras, etwas Holz aus dem Auwald, ein Stück Eierkarton und einen Tannenzapfen in die Metalldose zu füllen. Mit einem Sturmfeuerzeug darf es den Inhalt sogar anzünden.
Nun gehen wir zu den braunen, gestapelten Kästen. Eine der Außenwände des Bienenstocks ist aus Glas, sodass wir in ihn hineinschauen können. Wie warm er ist, erspüren wir mit unseren Händen, die wir sanft auf die Scheibe legen. Mit konstanten 32 °C machen es sich die Bienen in ihrem Zuhause gemütlich, egal wie heiß oder kalt es draußen ist. Auch ein paar Ameisen fühlen sich dort wohl. André fegt sie mit einem kleinen Besen weg. Nun hilft ihm ein Kind dabei, die Bienen und Drohnen in die Wabengassen zu vertreiben, schnell huschen sie weg. Jetzt kann der Imker den oberen Kasten abnehmen, der voll mit Honig ist. Mit 40 kg Eigengewicht ist das gar keine so einfache Angelegenheit. Daher sei es wichtig, erzählt André nebenbei, immer fleißig den Rücken zu trainieren, um die Zargen täglich hoch- und runterheben zu können.
André Soudah betreibt die Leipziger Kinderimkerei. Kitas, Schulen und Jugendclubs nutzen das Angebot – auch Einrichtungen über die Stadtgrenzen hinaus. Als Pädagoge, Imker und Bienensachverständiger wünscht er sich, dass es zukünftig noch mehr Kinder- und Schulimkereien in ganz Deutschland gibt. In Leipzig und Umgebung werden von der Kinderimkerei Schulbienenprojekte für Schulgärten und Ganztagsangebote realisiert.
Kontakt
https://bienenandre.de
https://kinderimkerei.de
Deutschland summt! Wir tun was für Bienen ist eine Initiative der Stiftung für Mensch und Umwelt, die seit 2010 die Aufmerksamkeit auf den Bienenschutz lenkt. Sie möchte Menschen motivieren, aktiv zu werden, und bietet zahlreiches Material zur Weiterbildung und Aktionsplanung auf ihrer Webseite an.
Infos
www.deutschland-summt.de
Der Mellifera e.V. besteht aus Bienen- freund:innen, Umweltschützer:innen, Imker:innen, Weltverbesser:innen, Naturliebhaber:innen und Fachleuten verschiedener Disziplinen. Sie bieten vielseitige Möglichkeiten, etwas gegen das Artensterben zu tun. Ein erfolgreiches bundesweites Projekt ist die Tagung »Bienen machen Schule«, das sich auch für Kitas eignet. Dieses Jahr findet die Tagung unter dem Titel »Bee sustainable – Bienen lehren Nachhaltigkeit« vom 22. bis 23. September in Frankfurt (Main) statt.
Infos
www.mellifera.de
Diesen Beitrag können Sie vollständig neben weiteren interessanten Beiträgen in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07-08/2023 lesen.