Warum Wasser in jeden naturnahen Spielraum gehört
Naturnahe Spielräume sind seit den 1990er-Jahren Norbert Schäfers Herzensangelegenheit. Warum Wasser zum Spielen auf keinem Kita-Gelände fehlen darf und was man bei diesem Spielangebot beachten sollte, erklärt der Landschaftsplaner im Interview mit der Journalistin Elisabeth C. Gründler.
Warum ist die Möglichkeit, Erfahrungen mit Wasser zu sammeln, im Kindergarten so wichtig?
Von allen Naturelementen, wie Sand, Erde oder Stein, ist das Wasser für Kinder am einfachsten veränderbar. Schon bei der leichtesten Berührung erziele ich einen Effekt. Das Muster auf der Wasseroberfläche verändert sich, wenn ich mit dem Finger eintauche. Das Wasser spritzt mir auf die Hand oder ins Gesicht. Es fühlt sich kalt oder warm an. Ich kann es fließen lassen oder in einem Becher sammeln. Ich kann andere zum Lachen oder Kreischen bringen, indem ich damit herumspritze. Sein Potential ist riesig. Das fasziniert Kinder. Um ihre Erfahrungen zu vertiefen, erfinden sie immer neue Spiele und können sich auf diese Weise lange und intensiv darauf konzentrieren.
Warum ist es so schwierig, Kindern diese Erfahrungen zu ermöglichen? Könnte man nicht einfach dafür sorgen, dass im Außenbereich nach dem Regen ein paar Pfützen stehen bleiben, und die Kinder darin spielen lassen?
Schön wär’s! Aber genau da fangen die Probleme an! Spielgelände für Kinder dürfen keine aktiven Gefahren enthalten. Und eine Wasserfläche, sei sie auch nur wenige Zentimeter tief, kann für Kinder eine Gefahr bedeuten. Für Krippenkinder empfehlen wir daher einen Wassertisch, gern Marke Eigenbau, an dem sie in einem geschützten Bereich, auf einer Terrasse oder in einem Waschraum, mit Wasser und Gefäßen experimentieren können. Pfützen sind im Prinzip wunderbar, viele Erwachsene erinnern sich gern an ihre Pfützenspiele. Aber spätestens, wenn kurz vor dem Mittagessen ein Dutzend Kinder lehmverschmiert und durchnässt in den Gruppenraum kommt, hält sich die Begeisterung von Erzieher:innen in Grenzen. Auch das Gesundheitsamt hat dazu etwas zu sagen: Wenn nach dem Regen die Sonne scheint und die Pfützen so richtig zum Spielen einladen, tobt darin schon bald das wilde Leben. Nicht nur in Form von Kinderfingern und -füßen, falls wir das zulassen, sondern auch unsichtbar, in Form von Keimen, Bakterien und Viren. Das sind mögliche Gesundheitsgefahren. Deswegen sollten Kindergarten-Außengelände so angelegt sein, dass keine größeren Pfützen über Tage oder gar Wochen stehen bleiben können.
Was ist die Alternative?
Fließendes Wasser! Das schließt Gefahren, die Pfützen, Teiche oder andere Wasserflächen bilden können, aus. Grundsätzlich sollte ein Kindergarten-Außengelände niemals nur eine ebene, gepflasterte Fläche sein. Wir plädieren für eine Modellierung des Bodens. Mit Erde, Steinen und Hölzern können Höhenunterschiede geschaffen werden, die zur Bewegung einladen. Kinder suchen die Auseinandersetzung mit der Schwerkraft und nutzen jeglichen Höhenunterschied, um zu klettern, zu balancieren und ihr Gleichgewicht zu erproben. Ein Hügel mit einem kleinen, künstlichen Bachlauf kann ein großartiges Angebot zum Spiel mit Wasser sein.
Also einfach einen Wasserhahn am richtigen Ort im Gelände anbringen und ein paar Gefäße danebenstellen?
Das wäre zu einfach, zu teuer und zu wenig nachhaltig. Der Klimawandel macht auch in Deutschland das Trinkwasser zu einer knappen Ressource – abgesehen von den Kosten, die es verursacht, wenn man größere Mengen von kostbarem Trinkwasser zum Spielen verwenden würden. Es gibt andere Möglichkeiten: Zum einen kann man mit einer Handpumpe das Grundwasser anzapfen. Ob Grundwasser geeignet ist, hängt von den örtlichen Gegebenheiten ab. Eine andere Möglichkeit ist, Regenwasser von Dachflächen in einer unterirdischen Zisterne zu sammeln und es daraus ebenfalls per Hand herauszupumpen. Mit beiden Varianten haben wir seit mehr als drei Jahrzehnten gute Erfahrungen gemacht. Es gibt inzwischen unterschiedliche Modelle von Pumpen, die auch von Kindern gut zu bedienen sind. Die meisten Kinder sind fasziniert davon, Wasser zu pumpen. Sie erleben Selbstwirksamkeit und erfahren, wie sie sich mit eigener Anstrengung Wasser für ihr Spiel holen können. Außerdem ist eine Wasserpumpe im Spielbereich immer auch eine Einladung zur Kooperation: Ein Kind kann nicht gleichzeitig das Wasser fließen lassen und damit spielen. Die Kinder müssen sich also abstimmen, wenn sie mit Wasser spielen wollen. Und das tun sie ganz intuitiv. Soziales Lernen ist ein »Beifang« des Spiels mit Wasser.
Norbert Schäfer arbeitete nach seinem Schulabschluss im peruanischen Lima mehrere Jahre im Garten- und Landschaftsbau in Deutschland. Nach dem Studium der Landschaftsplanung war er fünf Jahre als Entwicklungshelfer auf Haiti tätig. Zurück in Deutschland gründete er 1991 mit Helga Berger das Landschaftsplanungsbüro Stadt-und-Natur – www.stadt-und-natur.de –, das mittlerweile zu einem Verbund von zehn selbstständigen Landschaftsplanungsbüros in fünf Bundesländern gehört, die sich u.a. dem Bau von naturnahen Spielräumen verschrieben haben. Seine, zusammen mit Elisabeth C. Gründler veröffentlichten Publikationen Naturnahe Spiel- und Erlebnisräume planen – bauen – gestalten von 2000 und Kita-Gelände naturnah gestalten von 2011 sind antiquarisch im Internet erhältlich.
Diesen Beitrag können Sie vollständig neben weiteren interessanten Beiträgen in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 05-06/2023 lesen.