Zeitgleich mehrere Kinder eingewöhnen zu müssen, ist für jede Kita eine große Herausforderung. Veronika Beci und Nadine van der Pütten aus der Kita Lichtblick in Münster haben gute Erfahrungen mit dem Peer-Group-Modell gemacht. »Die Eingewöhnung ging schnell und war für die Kinder und Eltern total entspannt«, stellt eine der pädagogischen Fachkräfte während einer Besprechung des Großteams fest.
Es ist Herbst, die neuen Kinder sind seit bald drei Monaten in der Kita und die Fachkräfte reflektieren die Eingewöhnungszeit, die diesmal für die Kita besonders war: Im Sommer 2018 hatte eine Umstrukturierung von heterogenen zu alters- und entwicklungsdifferenzierten Gruppen stattgefunden. Das bedeutete, dass in der Gruppe der Zwei- bis Dreijährigen zwölf Plätze frei wurden. Auf einen Schlag mussten elf neue Kinder eingewöhnt werden; eines sollte erst einige Monate später dazukommen. Elf neue Kinder gleichzeitig?! In diversen Planungs- und Gesprächsrunden überlegte das Team, wie das nach unserer herkömmlichen Art der Eingewöhnung bewältigt werden könne. Bislang sah es so aus: In der ersten Woche wurden zwei Kinder eingewöhnt, deren Eltern lange mit in der Gruppe sitzen mussten. Während der ersten Trennungsphase saßen die Eltern im Elterncafé, begleitet von Fachkräften. Sobald die Kinder die Eingangsphase überwunden hatten, was meistens eine gute Woche dauerte, waren die nächsten an der Reihe. Deren Eltern mussten natürlich einverstanden sein, etwas später zu starten, obwohl sie bereits ihren Betreuungsplatz bezahlten. Und das sollte nun für elf Kinder nacheinander geschehen – Eingewöhnung bis weit in den Oktober hinein? Undenkbar und weder den Familien noch den Fachkräften zumutbar. Eine Alternative musste her.
Genau in diese Diskussionen hinein platzte der Bericht einer Kollegin, die auf einer Fortbildung vom Peer-Group- Modell gehört und daraufhin über das Thema recherchiert hatte. »Mit diesem Modell der Gleichaltrigen-Gruppe können vier Kinder vormittags und vier Kinder nachmittags eingewöhnt werden, also gleichzeitig acht Kinder«, referierte sie. Das Peer-Group-Modell fußt auf Erkenntnissen der Gleichaltrigen-Forschung. Sie besagt, dass Kinder, auch junge Kinder, zueinander sehr tragbare Beziehungen aufbauen und exzellent voneinander lernen. (Letzteres war übrigens einer der Gründe, weswegen wir die Umstrukturierung der Kita zu altersund entwicklungshomogenen Gruppen beschlossen hatten). Eine Besonderheit des Modells ist, dass die Eltern gemeinsam mit den Kindern »eingewöhnt« werden, das heißt leichter miteinander in Kontakt treten können.
Das hörte sich alles sehr gut an, wie würde das jedoch in unserer Kita in der Praxis aussehen, vor allem hinsichtlich der Punkte »Raum« und »Personal«? In weiteren Teamgesprächen entschieden wir uns dafür, für zwei bis drei Wochen auf unseren Bewegungsraum zu verzichten und ihn als Raum für die neue Spielgruppe zu nehmen. Aufgrund unserer Personalsituation konnten wir auch die Nachmittags-Spielgruppe nicht ermöglichen. Wir beschlossen stattdessen zwei vormittägliche Spielgruppen mit einmal sechs und einmal fünf Kindern in zwei aufeinanderfolgenden Wochen. Vor der eigentlichen Eingewöhnung statten wir neuen Familien stets einen Hausbesuch ab, bei dem wir Informationen allgemeiner Art, zum Eingewöhnungsmodell und zum Tagesablauf an die Eltern ausgeben und unser Kita-Buch überreichen (ein Fotobuch unserer Einrichtung mit freiem Platz, es mit Bildern der Familie zu füllen, das das Kind zur Eingewöhnung mit in die Kita bringt). Daher konnten wir mit den Eltern absprechen, ob sie in der ersten oder zweiten Gruppe anfangen wollten.
Die neuen Kinder und Eltern treffen ein
An einem Montag um 9 Uhr traf sich dann die erste Eingewöhnungs-Spielgruppe. Sie trafen auf bekannte Gesichter: Die Familien jeder Spielgruppe hatten schon Wochen zuvor auf einem Spielevormittag im Gruppenraum Gelegenheit erhalten, einander eine Stunde lang zu »beschnuppern«. Zusätzlich hatte es einen Spielenachmittag gegeben, bei dem alle neuen Kinder mit ihren Eltern eine Stunde lang mit den »alten« Kindern im Gruppenraum spielen konnten. Die Fachkräfte hießen die neuen Kinder und Elternteile, die nach und nach eintrudelten, schon im Eingangsbereich herzlich willkommen und begleiteten sie zum Bewegungsraum. Der war folgendermaßen umgestaltet: Es gab eine Kuschelecke mit Kissen, Schaffellen, Büchern und Kuscheltieren, eine Puppenecke mit Küche und Zubehör, zwei Puppen und einen Puppenwagen, einen Tisch und zwei Stühlchen sowie eine Bauecke mit Holzbausteinen und großen Holzfahrzeugen und mit Duplo-Steinen. In der vierten Ecke war ein Tisch für die Eltern vorbereitet. Gläser und Wasser standen für sie bereit, dazu lagen einige interessante Fachbücher, ein Artikel über unser Einrichtungskonzept und die Tageszeitung aus.
Die Väter und Mütter setzten sich wie abgesprochen an den Elterntisch. Ein Kind kam mit beiden Eltern. Die Fachkraft sprach sie im Laufe der ersten Stunde darauf an und bat sie, dass nur ein Elternteil die Eingewöhnung begleite, denn dann wäre ein immer gleicher Ablauf gewährleistet, der dem Kind Sicherheit biete. Die Kinder zeigten sich sehr interessiert an den Spielsachen, und da sie ihre Eltern am Tisch und mit im Raum wussten, probierten sie die Materialien aus. Zwischenzeitlich kehrten sie immer wieder zum Elterntisch zurück, um sich Zuspruch und Aufmunterung zu suchen. Zwei Väter standen, gedrängt von ihren Kindern, zwischenzeitlich vom Elterntisch auf und setzten sich näher an die Spielecken, hielten sich aber in den Spielsituationen zurück.
Zum Abschied gegen 10 Uhr erhielten die Eltern ein Lob für ihre schon sehr gelungene Passivität, verbunden mit der Bitte, noch mehr am Elterntisch sitzen zu bleiben, damit den Kindern Raum zur Exploration gegeben sei. Die Fachkräfte informierten die Eltern außerdem über den Ablauf des nächsten Tages.
Das Familienzentrum Kita Lichtblick, geleitet von Carolin Schniggendiller, ist eine Einrichtung der Evangelischen Jugendhilfe Münsterland gGmbH.
Nadine van der Pütten, Sozialpädagogin, ist hier als stellvertretende Leitung, Gruppenleitung und Fachkraft für Medienpädagogik tätig. Sie hat die Eingewöhnung nach dem Peer- Group-Modell in ihrer Gruppe installiert.
Veronika Beci ist promovierte Musikwissenschaftlerin, Erzieherin und als Fachkraft für sprachliche Bildung und interkulturelle Öffnung in der Kita beschäftigt. Sie hat die Eingewöhnung begleitet.
Kontakt
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07-08/2020 lesen.