Kinder und SeniorInnen erleben Natur
Von und mit den ehrenamtlichen NaturtrainerInnen und HochbeetpatInnen des Naturschutzbundes (NABU) lernen Kinder Gartenarbeit und vieles mehr. Jutta Gruber erlebt in Rheinland-Pfalz, dass Mehrgenerationenprojekte begeistern und freudvolles Lernen das wahrscheinlich nachhaltigste ist.
Wenn Volker Christ mit den acht Kindern der »Wackelzähne« und einer begleitenden Erzieherin in den Garten des Apothekers loszieht, »hüpfen sie mehr, als dass sie laufen. Kinder sind ja unheimlich lebendig und lebenslustig. Ein Funke, der überspringt.« Etwas auch nur annähernd Vergleichbares habe er während seiner Zeit als Geschichts-, Sozialkunde- und Religionslehrer nicht erlebt.
Als er vor einem guten Jahr in der Tageszeitung las, dass der Naturschutzbund (NABU) SeniorInnen sucht, die Lust haben, ehrenamtlich als NaturtrainerInnen mit Kita-Kindern zu arbeiten, zögerte er nicht: »Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits in der aktiven Phase der Altersteilzeit und hatte immer schon mal gedacht, dass meine Kinder wahrscheinlich auch deshalb nicht viele Bäume und Pflanzen benennen können, weil ich selbst nicht viel Ahnung von Natur hatte.«
Weil er das bei seinen Enkelkindern besser machen wollte, meldete er sich für die kostenfreie Ausbildung an und wählte für sein Engagement deren Kita. Anfängliche Bedenken der Erzieherinnen, wie das wohl sein wird, »wenn da einer von außen kommt ... und auch dann noch ein Lehrer ...« lösten sich in Luft auf, als sie merkten, dass er sich »als Lernender und nicht als Lehrender« versteht.
Auf die Lernlust der Kinder fühlte sich Herr Christ gut vorbereitet: »Weil man nur für das begeistern kann, was man selbst erlebt hat, haben wir in der Fortbildung nicht nur viel gelernt, sondern auch viel gespielt.« Als sie dafür einmal Schmetterlinge imitierend mit flatternden Armen umher hüpften, hätten sich schon einige gefragt, was unbeteiligte PassantInnen wohl gerade über sie denken. »Spaß hatten wir jedoch alle, und ohne diese Übung hätten wir uns vielleicht nicht wieder daran erinnert, dass Hüpfen und Springen ein Ausdruck von Lebensfreude ist!«
Lernen nebenbei
Zu Beginn seines Engagements habe er immer gedacht, dass das Lernen im Vordergrund steht. »Aber es ist die Freude. Auch für mich. Da ist so viel Freude dabei. Das Lernen kommt als Nebeneffekt, als würden wir das Wissen nebenher abpflücken.« Die Kinder würden erstaunlich viel Detailwissen sammeln und auch nicht wieder vergessen. Mitunter könne er nicht nachvollziehen, woher sie es haben, z.B. »als Karlotta auf dem letzten Spaziergang eine Feder fand und wusste, dass sie von einer Ringeltaube ist.« Eine Beobachtung von Herrn Christ ist, dass Kinder sehr davon profitieren, ökologische Zusammenhänge zu verstehen. Es war ihm z.B. aufgefallen, dass die Kinder »bei ihrer ersten Laubsammelaktion viel zu viele Blätter und diese zudem recht grob von den Bäumen gerupft haben. Seit unserer Erkundung der Funktion von Blättern gehen sie wesentlich behutsamer und umsichtiger mit ihnen um. Das ist eigentlich ein sehr schönes Lernen. Ich würde sagen: Je öfter die Kinder draußen sind, umso nachhaltiger ist ihr Lernen, weil sie Blätter, Federn, Blumen und im Prinzip alles, was zu diesem Universum dazu gehört, zunehmend bewusst wahrnehmen.« Dass Kinder dabei auch schon mal ganz still werden, erlebte er vergangenen Herbst bei folgender Übung im Garten des Apothekers.
Heilige Stille
»Wir hatten eine Plastikplane und einen Bettbezug mitgenommen. Die Plane legten wir unter einem Baum auf den Boden und den Bettbezug darüber. Dort hinein legte sich ein Kind nach dem anderen, bis nur noch sein Gesicht herausguckte. Nachdem wir es, mit Ausnahme seines Gesichts, mit Laub bedeckt hatten, durfte es so lange in den Baum und in den Himmel schauen, wie ihm danach war.« Wenn es laut schnarchte – das war zu Beginn als Zeichen vereinbart worden – kam das nächste Kind dran. »Auf diese Weise am Boden zu liegen und sich als Teil der Natur zu erleben haben die Kinder sehr genossen. Da spielt ja ganz viel rein. Man muss sich einer ungewöhnlichen Situation stellen, sich an einem unvertrauten Ort auf die eigene Wahrnehmung einlassen und den Kindern vertrauen, dass sie nur den Körper und nicht das Gesicht bedecken.«
Jedes Mal, wenn ein Kind bedeckt war und ins Erleben kam, seien auch die wartenden Kinder mit einem mal ganz still geworden. »Das war eine fast schon heilige Stimmung. Alle warteten geduldig, bis sie dran waren. Nur ein Mädchen hat sich nicht getraut. Das haben wir einfach akzeptiert und es hat auch keiner gelacht. Es ist wichtig, dass jedes Kind weiß, dass es ›Nein‹ sagen darf und seine Entscheidung akzeptiert wird.«
Jutta Gruber M. A. studierte Philosophie, Germanistik und Pädagogik. Sie war Vorstandsmitglied im Bundesverband Natürlich Lernen e.V., lebt und arbeitet als Autorin, Journalistin und Heilpraktikerin für Psychotherapie in Berlin und hat eine erwachsene Tochter.
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07-08/2020 lesen.