Im Juni findet der bundesweite Aktionstag »Klischeefreie Vielfalt in Kitas« statt. Zur Einstimmung erzählen zwei Kitaleiterinnen, wie sie Pluralismus in ihrer Einrichtung leben. Kindertageseinrichtungen sind Abbilder der Gesellschaft auf kleinem Raum, sie sind beispielhafte Orte gelebter Heterogenität, oft mit Vorbildcharakter. Hier erziehen Männer und Frauen gleichberechtigt Kinder unterschiedlicher ethnischer und sozialer Herkunft.
Kindertageseinrichtungen sind Abbilder der Gesellschaft auf kleinem Raum, sie sind beispielhafte Orte gelebter Heterogenität, oft mit Vorbildcharakter. Hier erziehen Männer und Frauen gleichberechtigt Kinder unterschiedlicher ethnischer und sozialer Herkunft. Alleinerziehende Mütter oder Väter, homosexuelle und heterosexuelle Paare vertrauen jeden Tag aufs Neue darauf, dass die Fachkräfte ihre Kinder ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend erziehen – professionell und wertschätzend. Aber können die Fachkräfte diesem hohen Anspruch immer gerecht werden? Wie sieht die gelebte Vielfalt in Kitas aus? Und wie gehen Fachkräfte mit eigenen Vorurteilen gegenüber bestimmten Personengruppen um? Gibt es sie überhaupt – die »Klischee freie Vielfalt in Kitas«?
Unter diesem Motto steht der bundesweite Aktionstag des Bündnisses für »Klischee freie Vielfalt in Kitas«, der am 5. Juni 2019 stattfindet. An diesem Tag wollen Kitas zeigen, welchen wertvollen Beitrag sie für eine vielfältige Gesellschaft leisten. Initiiert wurde das Bündnis von der Koordinationsstelle »Chance Quereinstieg/Männer in Kitas«. Mehr als 50 BündnispartnerInnen aus dem Bildungsbereich planen gemeinsam und dezentral den Tag, der die »Klischee freie Vielfalt in Kitas« in den Mittelpunkt rückt. Kindertageseinrichtungen, Träger, Verbände, Gewerkschaften,Fach- und Hochschulen haben sich dem Bündnis angeschlossen. Derzeit erarbeiten sie eine gemeinsame Erklärung. Interessierte Einrichtungen können sich noch anschließen.
Im Vorfeld des Aktionstages entstehen im Auftrag der Koordinationsstelle mehrere Kurzfilme und Reportagen, die zeigen, wie einige Kitas Vielfalt leben. »Für mich ist es selbstverständlich, dass wir jedes Kind mit seinen individuellen Voraussetzungen und Bedürfnissen willkommen heißen«, sagt Anke Buggel, Leiterin der Kita Worpsweder Straße in Schwanewede, eine Gemeinde in der Nähe von Bremen. Dazu gehört auch die Inklusion von Kindern mit Behinderung. Joel beispielsweise, ein vierjähriger Junge mit einer spastischen Behinderung, besucht seit Oktober 2018 die Sonnengruppe der städtischen Regel-Kita, begleitet von seiner persönlichen Assistentin. Um Joel einen barrierefreien Alltag zu ermöglichen, hat Anke Buggel das Umfeld ein wenig seinen Bedürfnissen angepasst, so zum Beispiel eine Schaukel mit Rückenlehne gekauft, damit er schaukeln kann. Keinen Kompromiss machte sie, als es darum ging, einen Fahrstuhl einzubauen, damit Joel in den Bewegungsraum kommen kann, der in der ersten Etage liegt. Hier musste sich Joel den Rahmenbedingungen anpassen. »Kinder wachsen an ihren Herausforderungen«, sagt Anke Buggel. Joel kann mittlerweile an der Hand einer Begleitperson die Treppen steigen. Die ErzieherInnen der Kita Worpsweder Straße mit 105 Kindern aus 18 Nationen sind in ihre Aufgabe hineingewachsen. »Ein stabiles Team ist Voraussetzung, damit Inklusion gelingen kann«, resümiert Anke Buggel.
Auf ein starkes Team setzt auch Christine Thomaschewski-Borrmann, Leiterin der Kita St. Johannis, eine von sieben »Modellkitas zur Integration und Inklusion von Kindern aus Familien mit Fluchterfahrung« in Berlin. Im Flüchtlingsherbst 2015 entschied sie sich in Absprache mit dem Träger, einige Kita- Plätze an Kinder aus Notunterkünften zu vergeben. Heute besuchen insgesamt 75 Kinder aus rund 25 verschiedenen Nationen die Kita, Träger ist die evangelische Kirchengemeinde Tiergarten. Christine Thomaschewski-Borrmann sucht den interreligiösen Dialog. »Uns ist es wichtig, dass die Kinder auch andere Religionen kennen und respektieren lernen. «Einmal im Monat besuchen alle zusammen den Kindergottesdienst, alle sechs Wochen die Ibn-Rushd-Goethe- Moschee der Rechtsanwältin, Frauenrechtlerin und Imamin Seyran Ate. Die liberale Moschee befindet sich in einem Raum der evangelischen Kirche St. Johannis, nur wenige Meter entfernt von der Kita. Hier haben die Kinder schon gemeinsam das Zuckerfest gefeiert, bei den regelmäßigen Besuchen nehmen sie an der Märchenstunde teil und hören Geschichten aus aller Welt. Genau diese Moschee sorgte für große Konflikte.
Eltern, die es zwar akzeptierten, Kinder aus geflüchteten Familien aufzunehmen, waren gegen die Moschee auf dem Gelände der evangelischen Kirche und gegen den Besuch ihrer Kinder in der Moschee. Einige türkischstämmige Eltern hatten Angst, weil es ein offenes Haus ist, wo Frauen und Homosexuelle predigen dürfen, einige deutschstämmige Eltern befürchteten Terroranschläge. »Wir mussten sehr viel Aufklärungsarbeit leisten«, sagt Christine Thomaschewski-Borrmann. Zwei Elternpaare meldeten ihre Kinder ab. Der Träger will jedoch am Konzeptder für andere Religionen offenen Gemeinde festhalten. Was die anderen Eltern letztendlich überzeugte, war die Begeisterung ihrer Kinder, die gerne in die Moschee gehen. »Die Kinder sollen früh erfahren, was es heißt, in einer pluralistischen Gesellschaft zu leben«, fügt Christine Thomaschewski- Borrmann hinzu. Ähnlich äußert sich Anke Buggel: »Wir können nicht Schlagwörter wie Vielfalt nutzen und Stopp machen bei Menschen mit besonderen Bedürfnissen.«
Diese Geschichten und noch viele andere sind veröffentlicht auf der Webseite www.klischeefreie-vielfalt.de. So
unterschiedlich die Storys sind, verbindet sie dennoch eine Linie: Wir sind viele und Vielfalt ist gestaltbar.
Koordinationsstelle »Chance Quereinstieg/Männer in Kitas«
Weitere Informationen:
www.klischeefreie-vielfalt.de
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03-04/19 lesen.