Kinder lernen im Spiel. Das ist eine pädagogische Grundwahrheit in der Kita. Doch was heißt das für den Alltag der ErzieherInnen? Und was entdeckt ein Team, wenn es aufgefordert ist, die eigene Arbeit durch die Evaluation kritisch zu betrachten? Danach fragte Barbara Leitner bei einem Besuch der KiB-Kita Hansa Spatzen in Berlin.
Am Morgen sitzen fünfzehn Mädchen und Jungen zwischen drei und fünf Jahren bei den »Raben« zur Kinderbesprechung auf dem Boden im Kreis. Birgit Martinez Llorente, die Erzieherin der Gruppe, fragt, wo die Kinder heute spielen wollen. Für den Frühsommertag sind 25°C vorhergesagt. Die Kinder rufen im Chor: »Rausgehen!« »Wo und womit wollt ihr spielen?«, will die Erzieherin weiter wissen. »Mit Wasser«, »Im Sand«, sprudeln die Kinder los. Sie fragt, was sie vorbereiten soll. Die Kinder wollen, dass die Planschbecken im Garten aufgestellt und mit Wasser aufgefüllt werden. Birgit Martinez Llorent gibt ihr Einverständnis.
Als Erzieherin sieht sie sich vor allem dafür verantwortlich, den Kindern einen Rahmen für fantasievolles, schöpferisches Spiel zu eröffnen. Dazu gehört für sie auch eine Klarheit über Absprachen: »Lasst uns nun noch klären, was das für die Kleidung heißt. Gestern hatten wir das vergessen und dann gab es Ärger wegen nasser Hosen und Strümpfe.« Einige antworten sofort, Schuhe, Strümpfe und Hosen sollten von denen ausgezogen werden, die mit Wasser spielen wollen. Jene, die mit den Fahrzeugen im Garten fahren wollen, tragen Schuhe.
Warum fließt kein Wasser?
Wenige Minuten später helfen einige Kinder Birgit, mit dem Schlauch die Plansch-Schnecken und andere Gefäße mit Wasser zu füllen und stellen mit nackten Füßen im Becken fest, wie kalt das Wasser ist. Andere buddeln im Sand. Eine große Gruppe um einen Sechsjährigen transportiert Plastikrohre vom Geräteschuppen zum Spielhaus. Ein Mädchen ist auf einen Weidenbaum geklettert und hilft von oben, die Rohre ineinander zu fügen und über den Ast zu verlegen. Nachdem es diese Steigung überwunden hat, soll das Wasser unten in einem Kanister ankommen. Offensichtlich gibt es bei den Kindern keinen Zweifel, dass das Wasser wirklich einen Meter hoch steigen kann. Ohne darüber zu diskutieren, führen die Kinder nun die Rohre flach über Wurzeln und Eimer. »Wir bauen eine Wasserleitung«, erklärt ein Junge ihr Tun, das sich in Minutenschnelle und ohne sichtbaren Plan oder Absprache, quasi aus dem Nichts, organisierte.
Schon prüft der selbsternannte Chef, ob tatsächlich alle Teile gut miteinander verbunden sind. Denn nun soll das Wasser fließen: von der Bank durch fünf, sechs mit Verbindungsstücken und Knien zusammengesteckten Rohre über den Ast bis zu einem roten Kanister. Ein erstes Kind schleppt einen Eimer Wasser heran und beginnt zu gießen. Einige Kinder warten am anderen Ende. Nichts kommt an. Dafür tropft es in der Mitte aus einem Rohr. »Es ist verstopft«, prognostiziert jemand aus der Runde. In der Tat fällt einiger Modder aus dem Knick als die Kinder die Verbindung lösen, um die Verstopfung zu entfernen. Dennoch fließt das Wasser auch anschließend nicht.
Marina Karius, die Kitaleiterin, sitzt nahe bei der Baugruppe und beobachtet einen Jungen. Das Entwicklungsgespräch mit den Eltern ist für den nächsten Monat vorgesehen und gemeinsam mit der Bezugserzieherin, wollen sich die beiden Pädagoginnen bewusst machen, wie sie den Fünfjährigen wahrnehmen. »Wir haben uns entschieden, alle Kinder zu zweit zu beobachten, um sie jeweils in verschiedenen Alltagssituationen und von zwei unterschiedlichen Blickwinkeln aus zu erleben. So können wir uns darüber austauschen und unvoreingenommen Vorlieben erkennen und Unterstützungsmöglichkeiten für jedes Kind individuell bestimmen.«
Zwischendurch fragten die Kinder die Erzieherin, wie sie die Rohre stützen könnten. Sie schlug vor, Eimer darunter zu stellen. Doch die Kinder stehen noch immer vor dem Rätsel, warum das Wasser nicht fließt. Marina Karius hat längst gesehen, dass es nicht die Steigung im Verlauf der Rohre nehmen wird. Doch sie hält ihre Erklärung zurück. Früher wollte sie den Kindern unbedingt ihr Wissen vermitteln. Sie unterbreitete Angebote und ärgerte sich, wenn die Kinder keine Lust darauf hatten oder nicht mitmachten. Heute sieht sie, dass Spielen und Lernen nicht getrennt sind, sondern erkennt, wie viele mathematische, physikalische, sinnliche, sprachliche und ästhetische Impulse die Kinder bei ihren Experimenten im Garten aufnehmen. »Die Kinder haben auch ein Recht auf ihren Misserfolg«, erklärt sie mir.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 08-09/16 lesen.