Als Kind wohnte ich gerne in unserer modernen Plattenbauwohnung mit weiter Aussicht. Der Gemüsegarten mit Laube lag zehn Fahrradminuten entfernt auf einem Hügel neben einer Schule. Genauso gut waren der Bach, der kleine Park mit den niedrigen Kletterbäumen und der Tümpel erreichbar. In der Platte wohnten viele Kinder. Wir hatten unsere Spielgefährten und unsere Orte zum Herumstreunen. Wir waren ständig unterwegs in der Natur, unseren Erfahrungsorten zwischen kleinstädtischer Bebauung, gezähmter und wilder Natur. Aber an die Räume meiner Kita und dem was wir dort den Tag lang machten, erinnere ich mich kaum.
Erfahrungsorte
Die Kita ist für Kinder nur einer von vielen Erfahrungsorten. Diesem Ort kommt jedoch eine Hauptrolle zu, weil sich die Kinder täglich viele Stunden in ihm aufhalten. Welche Bedingungen bietet dieser Platz, um dem Entdeckergeist der Kinder gerecht zu werden, Selbstbildungsprozesse zu unterstützen, sinnliche Erfahrungen zu ermöglichen und der Bewegungslust Raum zu geben? Beim Beantworten dieser Frage wird man schnell konfrontiert mit Themen wie dem pädagogischen Konzept der Kita, dem Personalschlüssel, dem beruflichen Engagement der pädagogischen Fachkräfte, den räumlichen Gegebenheiten, deren Ausstattung und der Qualität der vorhandenen Materialien. Aus der Summe dieser Faktoren formt sich der Erfahrungsort Kita. Für Architekten, Innenarchitekten und Raumplaner stellt eine Kita eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Sie müssen in der Planung das Kind in den Mittelpunkt stellen, bei allen baulichen und technischen Überlegungen. Die Grundrisse und Räume sollten sich aus den Bedürfnissen der Kinder und aus der pädagogischen Konzeption heraus entwickeln. Matthias Buck1 spricht in diesem Zusammenhang von einer »gebauten Pädagogik«.
Ateliers sind Quelle ästhetischer Erfahrungen
In der Kita sind das Mini-Atelier, das Atelier oder eine Kinderkunstwerkstatt unverzichtbare Orte für ästhetische Erfahrungen. Es sind Orte, die der kindlichen Wahrnehmungswelt Raum geben, wo sich aus sinnlichen Erfahrungsprozessen, Kreativität und der kindlichen Lebensgeschichte ästhetische Erfahrungen bilden.2 Dort stehen den Kindern Farben, Papiere, Kleber, Tone und Naturmaterialien, aber auch im Handel und in der Industrie abfallende Materialien zur Verfügung.
Auch das LehmAtelier ist ein Ort ästhetischer Erfahrungen. Hier wird jedoch fast ausschließlich mit Lehm gearbeitet. Ergänzende Materialien sind z.B. Ziegelsteine, Brettholz, Astenden, Kiesel und Mosaikfliesen. Das Konzept des LehmAteliers3 geht vom kreativen Reichtum in der Reduktion auf wenige Materialien aus. In drei Atelierbereichen steht Lehm als festes, plastisches und flüssiges Material bereit. Eine vorbereitete Umgebung bildet den Rahmen, in dem die Kinder eigenständig arbeiten können: Malen mit Lehmfarbe an großen Wandtafeln oder auf dem Boden, Kneten und Formen auf mobilen Lehmtischen oder Bauen mit kinderhandgroßen Lehmsteinen.
In diesem Umfeld bahnen sich Geschichten und kreative Ideen der Kinder ihren Weg. Das eine oder andere Kind versinkt gedankenvergessen in seinem Tun. Andere Kinder handeln rege gemeinsam. Alle Sinne und körperlich-gestalterischen Fähigkeiten der Kinder werden dabei angesprochen.
Das Konzept der LehmWerkstatt geht noch einen Schritt weiter. Neben dem LehmAtelier integriert sie das Naturfaser-Atelier, eine Forscher-Ecke und eine Lese-Ecke mit thematisch bezogenen Büchern.
Daniel Duchert
Buchtipp
Die Erde ist bunt – Atelierarbeit mit Lehm
Verlag das Netz, KINDER extra, 2012
ISBN 978-3-86892-062-8
Bunte ERDE
Daniel Duchert, Hamburg
mobil: 0174 - 89 23 644
eMail:
web: www.atelier-bunte-erde.de
1 Mitbegründer des Hamburger Raumgestaltungsmodells
2 Gerd E. Schäfer: Bildungsprozesse im Kindesalter, Juventa Verlag, 2005, S. 245-246
3 Daniel Duchert: Die Erde ist bunt – Atelier-arbeit mit Lehm, Verlag das Netz, 2012
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/15 lesen.