Ein Fortbildungsbericht
Mit diesem Beitrag möchte Anke Vogt allen den Mund wässrig machen, die noch nie von der Reggio-Pädagogik gehört haben oder schon lange danach arbeiten: Stellen Sie sich den schönsten Nachtisch vor, den Sie kennen. Zum Beispiel Vanilleschaum mit Erdbeeren und Sahne. Also etwas, das ihnen auf der Zunge zergehen würde. Wer möchte davon keinen Nachschlag?
Jedes Jahr im Frühjahr kümmern sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Franz-Hitze-Hauses in Münster um den reggianischen Nachschlag für erprobte Erzieherinnen, die entweder die Reggio-Ausbildung absolvierten oder in reggio-orientierten Einrichtungen arbeiten. In diesem Jahr ging es um das Thema »Licht im Atelier«.
Manche oder mancher mag sich nun fragen, warum die Reggio-Pädagogik und ein entsprechendes Seminar so unglaublich köstlich sind. Wegen der durch und durch kindzentrierten Arbeit, die alle Ideen der Kinder, mögen sie noch so ungewöhnlich sein, in den Mittelpunkt stellt. Und wegen der überraschenden, alle Sinne speisenden Erfahrungen, die Erzieherinnen während des Seminars buchstäblich aufsaugten. Lernen mit Genuss weckt den Wunsch, es mit anderen Menschen zu teilen.
Licht – ein Medium der Wahrnehmung wird zu einem Medium der Darstellung
Lichttische, die in Reggio von Eltern und Erzieherinnen erfunden wurden, finden wir längst in deutschen Kita-Katalogen. Dass ein Overhead-Projektor zur Grundausstattung gehört, kann uns nicht mehr in Erstaunen versetzen. Dass aber der gute, alte Dia-Projektor, farbige Strahler und Taschenlampen eine wundersam spannende Atmosphäre in den Raum zaubern, das war neu.
Wir begaben uns auf eine abenteuerliche Reise ins Licht. Barbara Marek-Riehle, Künstlerin und Kunstpädagogin aus Bergisch Gladbach, und Ulla Forster, Leiterin der Kreativitätsschule Bergisch Gladbach, beide überzeugte Reggianerinnen, führten uns in eine Welt voll zauberhafter Schattengestalten. Unsere erste Aufgabe bestand darin, hinter einem weißen Bettlaken Schattentheaterspiele aufzuführen. Jede Teilnehmerin stellte sich mit ihrem Hobby oder einer anderen Fassette aus ihrem Leben vor. Ohne Worte machten wir uns miteinander bekannt. Lachen war ausdrücklich erlaubt, denn es öffnet das Gehirn.
Im »World Cafe« tauschten wir uns in Kleingruppen über unsere Biografien aus: Welche Erfahrungen hatten wir mit Licht im Laufe unseres Lebens gemacht? Wann erschien uns Licht als bedeutsam? Diese Methode ist ein Instrument, um die eigenen inneren Bilder abzurufen und die Mitglieder eine Gruppe auf den gleichen Wissenstand zu bringen. Mehrere Male wechselten die Teilnehmerinnen ihre Plätze im »World Cafe«. Eine »Bardame« blieb am Tisch und informierte die nächsten Gäste, die ihrerseits neue Beiträge mitbrachten.
Wir erfuhren, welchen Stellenwert Licht im Zusammenhang mit Dunkelheit erhält. Im Advent ist es das Kerzenlicht, das uns beeindruckt. Im Sommer sind es die Sterne am nächtlichen Himmel. Wir kennen – im übertragenen Sinne – das Licht am Ende des Tunnels und erinnerten uns an Dunkelheiten in Kellern oder auf Dachböden, in die nur ein paar Lichtstrahlen durch kleine Schlitze fielen. In solchen Zusammenhängen spielen Gefühle immer eine Rolle: angenehme oder unangenehme.
Die nächsten Stufen auf dem Weg der Erkenntnis waren die Hypothesenbildung und der Austausch über vorhandenes Wissen. Den Weg des Lichts in unserem Bewusstsein ergründeten wir mit der Frage: Wie können wir Licht sehen? Wir fragten unser Gehirn nach brauchbarem Schulwissen ab: »Das Auge nimmt ein Bild wahr. Das Bild wird gedreht – aber wo? Im Auge oder erst im Gehirn? Wo laufen die Sehnerven hin? Braucht Licht einen Gegenstand, um in unser Bewusstsein zu gelangen?« Wir bemühten uns, die Frage zu beantworten, und hatten schließlich mehr Fragezeichen im Kopf als vorher. Wie gut, dass wir alle Lernende sind!
Die verschiedenen Theorien wurden der gesamten Gruppe vorgestellt. Als wir vorhandenes Wissen austauschten, fanden wir Parallelen in unseren Hypothesen. Weil zu wenig Zeit für das Blättern in Fachbüchern war, sahen wir am Abend einen Ausschnitt aus der Sendung »Centaurie« von BR alpha: »Woher kommt das Licht?« von Prof. Dr. Lesch. Es folgte der auf Arte ausgestrahlte Film »Die Welt der Farben. Wie wir Farben sehen«. Was wir sahen, bestätigte unser intuitives Wissen und füllte Wissenslücken. Auf diese Weise sensibilisiert, erhielten wir drei Aufgaben:
- Findet einen extremen Schatten.
- Findet einen fließenden Schatten.
- Findet eine Textur. Also einen Schatten, der ein Muster bildet.
Mit Digitalkameras gingen wir in kleinen Gruppen los. Einige Teilnehmerinnen zog es zum See, andere in das nahegelegene Villenviertel, in das Wäldchen oder auf den Friedhof. Des sonnigen Wetters wegen war es kein Problem, Schattenbilder zu finden.
Ein sehr dunkler Schatten ist leicht einzufangen. Doch wo findet sich Textur oder fließender Schatten? Können wir Schatten selbst modellieren? Schließlich sahen wir nur noch Schatten – überall!
Kontakt
Anke Vogt ist Erzieherin in der Katholischen Kita St. Marien in Melle. Informationen zu Fortbildungen erhalten Sie im Franz-Hitze-Haus Münster (www.fhh.de) oder in Bergisch Gladbach unter Tel.: 02204/64 415 und unter www.krea-online.de.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 08-09/12 lesen.