Die Herausbildung einer forschenden Haltung durch die
Verknüpfung von Bildungstheorie und ästhetischer Praxis
Im Bildungsprozess eines frühpädagogischen Studiums geht es u.a. um die Frage, wie künftige Profis sich ein komplexes Neugierverhalten als Grundlage einer reflexiven pädagogischen Haltung aneignen können. Der gewünschte Wandel von traditionellen Formen linearer Wissensvermittlung zum eigenverantwortlichen Lernen in produktiven Lerngemeinschaften wird oftmals durch stark formalisierte Studienverläufe, eine konventionelle Belehrungstradition und defizitäre Strukturen an den Fachhochschulen und Universitäten überlagert.
Prof. Dr. Stefan Brée geht der Frage nach, wie im frühpädagogischen Bachelorstudium eine forschende Haltung der Studierenden durch die Verknüpfung ästhetischer Erfahrungen mit bildungstheoretischen Reflexionen gefördert werden kann. Nach einem kurzen Überblick über den Rahmen frühpädagogischer Ausbildung geht der Autor auf die Herausforderungen ein, die sich aus seiner Sicht für die Bildungsprozesse von Studierenden durch den Bedarf an Akademisierung und Professionalisierung ergeben, und verdeutlicht die Potenziale ästhetischer Lernforschung an Beispielen.
Beginnen möchte ich mit dem Qualifizierungsrahmen für das frühpädagogische Hochschulstudium aus dem Konzept Bosch Stiftung. (Bosch Stiftung 2008) Die Anforderungen für ein BA-Studium zielen auf die Herausbildung einer wissenschaftlich abgesicherten Haltung mit entsprechend vielfältigen Wissensformen und Wissensarten. Wenn man die verschiedenen Kompetenzfelder einmal quantitativ zusammenfasst, ergibt sich für das Studium folgende Größenordnung: Studierende sollen in sechs Semestern 24 übergreifende und 109 spezifische Kompetenzen erwerben. Dieser aus der Perspektive des qualitativen Bedarfs von Kindertageseinrichtungen gerechtfertigte Anspruch fordert anspruchsvolle Didaktiken mit neuartigen Studienorganisationen heraus. Zu diskutieren ist darüber, welche Konturen Forschungsmethoden, Didaktiken und Theoriebausteine im Zusammenspiel von Forschung, Lehre und Praxis haben beziehungsweise wie und wann sie Bestandteile des Lehrangebots sein können.
Ziel und Prozess der Professionalisierung durch Akademisierung könnte man mit einem Bild von Barnet Newmann in der Berliner Nationalgalerie vergleichen: »WHO’s afraid of Red, Yellow and Blue?« von 1976. Die gelbe und die rote Farbfläche stehen für die beiden maßgeblichen Bezugsgrößen von Professionalisierung: Handlungsorientierung (rot) und wissenschaftlich fundierte Reflexionsfähigkeit (gelb). In der Mitte zwischen den beiden Farbfeldern befindet sich ein schmales, streifenartiges blaues Farbfeld. Das Bild lebt von der Spannung zwischen dynamisch-energetischen und statisch-kühlen Positionen. Die Ansicht vom Original des Bildes wie auch der pädagogische Alltag fordert die Wahrnehmung und Reflexion des Fachpersonals heraus.
Professionalität als ein Prozess des engagierten und reflektierten Begleitens kindlicher Entwicklungsprozesse zeichnet sich analog durch eine ebenso emotionale wie rationale Bewältigung von Gegensätzen und Ungewissheiten aus. Im Studium werden Studierende mit diesen Anforderungen spannungsreich konfrontiert.
Im blauen Feld, das ich hier symbolisch für den Bildungsprozess von Studierenden sehe, sollen sich unterschiedliche Perspektiven und Strategien schließlich zu einer professionellen Haltung im Sinne einer verinnerlichten Reflexivität verdichten.
Um die sich daraus ergebenen didaktischen Spannungsfelder zu verdeutlichen, nutze ich zwei weitere Kunstbilder. Links die Collage von Matisse, die ich als modernes Leitbild von Bildung interpretiere: Lernprozesse verlaufen diskontinuierlich, divergent, nicht trivial, dynamisch, rational, emotional und ästhetisch. Das Bild zeigt diese Merkmale in unregelmäßigen, lebendig schwebenden und sich leicht überlagernden Fragmenten – eine Metapher für ein Studium als dynamischer und individueller Prozess der Persönlichkeits- und Wissensbildung.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/10 lesen.