Teilhabe auch der Kleinsten im offenen Konzept
Wie Partizipation selbst bei den Kleinsten gelingt, veranschaulicht Karsten Herrmann vom Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) am Beispiel einer Einrichtung mit 85 Kindern aus 14 Nationen, dem FRÖBEL-Kindergarten SieKids Ackermäuse in Braunschweig.
Konzentriert stehen die dreijährige Anna und der knapp zweijährige Jan am Buffet und füllen sich mit einer großen Kelle Buchstabensuppe auf ihre Teller. Vorsichtig tragen sie die gefüllten Teller zu ihrem Tisch, entsorgen nach dem Essen selbstständig die Essensreste und stellen Teller und Besteck auf den Servierwagen. Auch bei der Zubereitung des Essens haben einige Kinder des FRÖBEL-Kindergartens SieKids Ackermäuse in Braunschweig mitgeholfen. Sie putzten Gemüse und zerkleinerten es mit echten Küchenmessern. Jonas, der sich heute dabei geschnitten hatte, wurde mit einem Pflaster verarztet. Doch das schmälert nicht den Stolz des kleinen Küchenhelfers.
Neben Beziehung und Begabungsförderung ist Partizipation einer der drei Hauptpfeiler im pädagogischen Konzept der FRÖBEL-Kitas, und das nicht nur in der Arbeit mit den Kindergartenkindern sondern auch mit denen in der Krippe. Jeden Morgen können sich die Ein- bis Dreijährigen im Anschluss an den altersgetrennten Morgenkreis entscheiden, was sie heute tun möchten – Theater spielen, malen im Atelier, tanzen und Musik machen, forschen und entdecken oder doch lieber Freispiel auf dem Außengelände. Mit ihren Morgenkreiskarten treffen sie die Auswahl und auf einer großen Tafel im Foyer ist schon bald zu sehen, welches Kind gerade mit welcher Aktivität beschäftigt ist. »Auch die Kleinen lernen ganz schnell, sich selbst zu entscheiden und den Tag nach ihren Vorstellungen zu gestalten«, sagt Melanie Nolte, die stellvertretende Leiterin. Für Verlässlichkeit und Orientierung im offenen Konzept sorgen auch die festen BezugserzieherInnen, und auch hier haben die Kleinen ein Mitentscheidungsrecht. Ziel der offenen Pädagogik ist, die Rechte der Kinder und ihre Teilhabe auf den verschiedensten Ebenen zu stärken und sie zu eigenverantwortli-chen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu entwickeln. »In diesem Sinne«, so Melanie Nolte, »verstehen wir die offene Arbeit auch als eine Schule der Demokratie.«
Der FRÖBEL-Kindergarten liegt gleich hinter dem Bahnhof, angeschmiegt an das Siemens-Betriebsgelände. Es ist ein betriebsnaher Kindergarten. Zwei Drittel der Kinder aus insgesamt 14 Nationen, die hier jeden Morgen zusammenkommen, stammen aus Familien von Siemens-Beschäftigten. Vor kurzem ist auch ein erstes Flüchtlingskind aus Syrien eingetroffen.
Alle sind willkommen
Passend hierzu wird die Mehrsprachigkeit im FRÖBEL-Kindergarten gezielt gefördert. Von den insgesamt 18 SozialassistentInnen, ErzieherInnen, Sozial- und KindheitspädagogInnen im Team – darunter auch vier Männer – integrieren zwei englische MuttersprachlerInnen die englische Sprache immersiv als weitere Sprache in den Alltag. Das Team teilt sich in drei Kleinteams auf, die den drei Altersgruppen Nest (0 bis 1 Jahr), Krippe (1 bis 3 Jahre) und Kindergarten zugeordnet sind. Insgesamt 85 Betreuungsplätze gibt es in der Kita.
Im Eingangsbereich des weiten Foyers der SieKids Ackermäuse werden Kinder und ihre Eltern mit einer großen Plakatwand vielsprachig begrüßt. Davor laden eine Couch, Sessel und Tisch die Eltern z.B. in der – gerade auch für Eltern mit Migrationshintergrund flexibel gestalteten – Eingewöhnungsphase zum Verweilen und Klönen ein. An einer Trennwand präsentieren sich aktuell die KandidatInnen für den Elternbeirat mit eigenen Wahlplakaten. »Das Engagement unserer Eltern ist sehr groß«, sagt Melanie Nolte »und wir legen sehr großen Wert auf ihre Beteiligung«. Neben den individuellen Entwicklungsgesprächen richten sich daher verschiedene Angebote wie Elternabende, Elterncafés, Eltern-AG oder Singkreise direkt an die Eltern.
In der Einrichtung herrscht eine quirlige und doch insgesamt entspannte Atmosphäre. Im Außengelände, in den Funktionsräumen und auf den Fluren sind die Kinder in kleinen Gruppen oder auch mal für sich allein beschäftigt. Die ErzieherInnen begleiten das Geschehen aufmerksam und geben bei Bedarf Impulse, spenden den Kleinsten Nähe und Trost oder schlichten den einen oder anderen Streit. Selbstbewusst gehen die Kinder auch auf BesucherInnen zu, fragen nach dem Namen und beziehen sie schon bald in ihr Spiel ein. Marie z.B. begleitet eine Besucherin spontan beim weiteren Rundgang und zeigt stolz ihr Portfolio mit Fotos, Zeichnungen und Beobachtungen von zu Hause und aus ihrem Kita-Alltag.
Bei den SieKids Ackermäusen werden die von Margret Carr in den 1990ern entwickelten Bildungs- und Lerngeschichten zur Dokumentation eingesetzt. »Mit dieser Methode möchten wir«, so Nolte, »sowohl uns pädagogische Fachkräfte als auch die Kinder und ihre Eltern für die vielfältigen Lern- und Entwicklungsprozesse und auch die Lernmöglichkeiten sensibilisieren.« Basis der Bildungs- und Lerngeschichten ist die freie Beobachtung von Aktivitäten eines Kindes im Alltag der Kita. Bei der anschließenden Auswertung werden im Dialog die Fähigkeiten, Begabungen, Lernstrategien und Themen des Kindes erfasst und in einer Lerngeschichte festgehalten. »Die Lerngeschichten zeigen den Kindern und ihren Eltern, was Kinder im Kindergartenalltag alles erleben und leisten und wie hochtourig sie hier lernen« resümiert sie.
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/17 lesen.