Langsam, leise und schleimig:
Die Landschnecke
Es gibt kaum einen Lebensraum, in dem nicht eine riesige Zahl kleiner und kleinster Tiere zu finden ist – und dennoch wissen wir über sie und ihr Leben nur sehr wenig. Nur selten kennen wir ihre Namen, und noch weniger wissen wir über ihre Rolle und Bedeutung in ökologischen Zusammenhängen.
Viele Kinder interessieren sich aber für die Welt der Kleinlebewesen. Deshalb stellt Herbert Österreicher verschiedene und höchst bemerkenswerte Vertreter der wichtigsten zoologischen Gruppen vor. Die Serie begann in Heft 10/06.
Biologie und Ökologie
Die Schnecken bilden mit ihren weltweit rund 100 000 Arten die größte Klasse in der Gruppe der Weichtiere. Sie leben seit mehreren Hundert Millionen Jahren auf der Erde und haben aufgrund ihrer unglaublich großen Anpassungsfähigkeit fast jeden Lebensraum erobert.
Gemeinsam ist allen Schnecken ein weicher Körper, der bei den Gehäuseschnecken zum großen Teil verborgen bleibt: Nur der Kriechfuß und der nicht sehr deutlich abgesetzte Kopf mit den Augen und Fühlern sind zu sehen. Der so genannte Mantel, der die inneren Organe umhüllt, bleibt stets im Gehäuse. Bei den Nacktschnecken hingegen stellt der Mantel den Hautschild dar, der den Rücken der Tiere bedeckt.
Eine weitere Gemeinsamkeit der meisten Schnecken ist die Radula, ein reibeisenähnliches Organ im Schlundkopf, das kleine Zähnchen aufweist. Damit schabt und kratzt die Schnecke an Pflanzen und anderen Stoffen, die ihr als Nahrungsquellen dienen. Form und Anzahl der Zähne ermöglichen Rückschlüsse auf die Ernährung der jeweiligen Schneckenart: frische oder welke Pflanzenblätter, Pilze, Algen, weiche Früchte, Moder.
Eine grobe, aber gute Orientierung bietet die Unterscheidung nach dem Lebensraum:
• Landschnecken (mit und ohne Gehäuse)
• Süßwasserschnecken
• Brackwasserschnecken
• Meeresschnecken
Im Folgenden befassen wir uns mit den Landschnecken oder Landlungenschnecken, von denen in Deutschland rund 230 verschiedene Arten zu finden sind. Ein auffälliges Merkmal dieser Tiere sind die gestielten Augen: An den Spitzen der beiden langen Fühler sitzt je ein Auge, das bei Gefahr sofort handschuhfingerförmig zurückgezogen und von der weichen Hülle geschützt werden kann. Die beiden kürzeren Fühler tragen Tast- und Riechorgane.
Während die Gehäuseschnecken bei uns eher vereinzelt auftreten, finden wir Nacktschnecken in großer Zahl, und vier Arten gelten geradezu als »Gartenschreck«: die bis 140 Millimeter lange, meist graugrün gefärbte Spanische Wegschnecke (Arion lusitanicus), die erst vor etwa 40 Jahren aus Südwesteuropa eingeschleppt wurde; die bis 180 Millimeter lange Große Schwarze Wegschnecke (Arion ater); die nur bis 40 Millimeter lange, dunkelfarbige Garten-Wegschnecke (Arion hortensis) und die etwa 60 Millimeter lange, gelblichweiße und etwas braunfleckige Genetzte Ackerschnecke (Deroceras reticulatum).
Die Große Rote Wegschnecke (Arion rufus) ist zwar ebenfalls nicht selten, wird heute aber zunehmend von der Spanischen Wegschnecke aus ihrem Lebensraum verdrängt.
Gehäuseschnecken werden in erster Linie über Art und Form des Gehäuses erwachsener Tiere bestimmt. Je nach Art handelt es sich um flach gewundene oder eher kugelige Gehäuse, in deren Endwindung die Mündung liegt. Auch die Form der Mündung dient zur Artbestimmung.
Viele dieser meist kleinen Schnecken leben versteckt und nur in ganz speziellen Biotopen. Ihre oft nur wenige Millimeter großen Gehäuse werden schnell übersehen.
Leichter zu finden ist die weit verbreitete Schnirkel- oder Baumschnecke (Arianta arbustorum), die sich gern auf Sträuchern und Bäumen aufhält. In feuchtkühlen Lagen sucht sie weiche Blätter, Pilze und Beeren. Ihr kastanienbraunes Gehäuse ist meist etwa zwei Zentimeter breit und hoch, gelb gefleckt und mit dunklem Band.
Am auffälligsten ist wohl die Weinbergschnecke (Helix pomatia), die mit der Schnirkelschnecke nah verwandt, aber viel größer ist. Ihr beinahe kugeliges Gehäuse kann im Durchmesser 30 bis 40 Millimeter groß werden, und ihr bevorzugter Lebensraum hat ihr zu ihrem Namen verholfen: sonnig-warme Areale wie Weinberge, Waldränder, lichte Gebüsche, Mauern und Ruinen, wo sie sich von unterschiedlichen Pflanzen ernährt. Mit bis zu 35 Jahren kann diese Schneckenart ein relativ hohes Alter erreichen.
Obwohl fast alle heimischen Landschneckenarten Zwitter sind, suchen die Tiere einen Partner zur Paarung. Dabei dienen ihnen chemische Lockstoffe zur Orientierung. Haben sich zwei Tiere gefunden, beginnt ein Liebesspiel, das bei den Weinbergschnecken einige Stunden dauern kann: Zunächst betasten sich die Partner langsam und gründlich, dann richten sie sich mehr und mehr auf, bis sie nur noch auf dem hinteren Teil des Fußes stehen. Dabei werden die Gehäuse ebenfalls angehoben. Ihr leichtes Schwanken lässt befürchten, die Tiere könnten ihr Gleichgewicht verlieren. Aber wenn das Paar nicht gestört wird, geschieht das nicht, und irgendwann findet die eigentliche Begattung statt, bei der die Schnecken einander einen kleinen Kalkpfeil in den Leib schießen und ein Samenpaket übergeben, bevor sie ganz langsam wieder auseinander kriechen. Der Grund für diese Form der Paarung liegt wohl im Austausch der Erbanlagen, wodurch die Verarmung der genetischen Ausstattung der Tiere vermieden wird.
Zur Ablage der 20 bis 60 erbsengroßen Eier höhlt die Weinbergschnecke eine kleine Erdgrube aus, indem sie ihren Körper dreht. Nach zwei bis sechs Wochen schlüpfen die jungen Schnecken und tragen bereits kleine, ganz dünnwandige Häuser auf ihren Rücken.
Nach jüngsten Schätzungen verzehren wir Menschen jährlich weltweit et-wa eine Milliarde Weinbergschnecken, die meist aus Zuchten stammen. Das Sammeln wild lebender Tiere hat aller-dings dazu geführt, dass sie in vielen Gegenden selten geworden sind und in Deutschland unter Naturschutz stehen.
www.mollusca.de
Hier finden Sie Informationen über Weichtierforschung (Malakologie oder Malakozoologie) und Weichtiere (Mollusca). Links führen zu zahlreichen Spezialgebieten der Forschung. Hinweise auf spezielle Veröffentlichungen und Kontakte zu Fachleuten runden die Seite ab.
www.weichtiere.at
Diese Seite bietet zahlreiche bebilderte Detailinformationen über bekannte und wenig bekannte Schnecken, Muscheln und andere Weichtieren. Außerdem finden Sie eine Übersicht zur Systematik der Weichtiere, einschlägige Literatur sowie ein Kontaktforum für Schneckenliebhaber und -interessierte.
www.achat-schnecken.de
Umfangreiche Website über Achat-Schnecken. Informationen über Anatomie, Herkunft und Haltungsbedingungen werden – auch mit Bildern – erläutert. Eine Fotogalerie und Links zu anderen Seite ergänzen das Angebot.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 04/07 lesen.