Empfehlungen zur Zusammenarbeit von Kita und Grundschule
In der vergangenen Woche telefonierte ich mit einer Lehramts-Studentin, die in einer Kita ein Praktikum absolvieren wollte und in einem Nebensatz fallen ließ: »Schule und Kita liegen ja auch nicht so weit auseinander...«
»Oh, doch«, antwortete ich spontan, »meiner Meinung nach liegen sie sogar sehr weit auseinander, und die Orientierung an den Entwicklungen, die in den letzten Jahren von den Kollginnen und Kollegen in den Kitas in Gang gesetzt wurden, könnte auch für Schulen hilfreich sein.«
Unklare Erwartungen
Viele Kolleginnen und Kollegen, die in Kitas arbeiten, können ein Lied davon singen, dass die Zusammenarbeit mit Schulen und Vorschulen von Konkurrenz, Statusdenken und Unwissenheit über die Kita als frühe Bildungsinstitution geprägt ist. Trotz gemeinsamer Anstrengungen der Länder, des Pisa Schocks durch die Entwicklung von Bildungsplänen Herr zu werden, sind die Grundlagen für eine umfassende Bildungsreform – und dies beginnt doch mit einer gemeinsamen Zielformulierung aller Beteiligter – noch nicht gelegt.
Führt mich ein Supervisions- oder Beratungsauftrag in eine Kita, klagen die Kolleginnen häufig über mangelnde Kommunikation, über das »Herabblicken« von Lehrern und Schulleitungen auf die Bildungsarbeit in der Kita und die Erzieherinnen. Bohre ich nach, zeigt sich allerdings auch ein nicht unerheblicher Abgrenzungsbedarf der Kitas, und auf die Frage, ob die Telefonnummern der nahegelegenen Schulen oder die Namen der Schulleitungen in der Kita bekannt seien, folgt nicht selten betroffenes Schweigen.
Ich empfehle in solchen Situationen: Stellen Sie sich vor, es ist das Jahr 2008 und Sie arbeiten gut mit den Schulen in Ihrem Umkreis zusammen. Was ist dann anders? Vielleicht entsteht so ein erstes Bild von Zusammenarbeit, und Sie haben die Möglichkeit, ein Ziel zu definieren. Ebenso hilfreich kann es sein, wenn Sie sich fragen, wozu die bisherige Form der Zusammenarbeit gut war. Oder war sie schlecht?
Stellen Sie sich vor, Sie würden die Lehrerinnen und Lehrer zu deren Einschätzung bezüglich der Zusammenarbeit von Schule und Kita befragen. Vielleicht wissen sie überhaupt nicht, wie eine Kita von innen aussieht, was für qualifizierte pädagogische Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern geleistet wird.
Das Dilemma liegt meines Erachtens in der Unklarheit der gegenseitigen Erwartungen. Wir Kita-Leute verstehen nicht nicht, was die Schule sich für eine Kooperation vorstellt, und umgekehrt verstehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schule nicht, was wir für eine Zusammenarbeit wünschen und wie sie inhaltlich gefüllt werden kann.
Einladen, kennen lernen und gestalten
Sie haben mehrere Möglichkeiten, diesem »Nichtverstehen« zu begegnen und in eine konstruktive Phase einzutreten. Eines haben allerdings alle Wege gemeinsam, sozusagen als Voraussetzung: die respektvolle Grundhaltung und den wertschätzenden Umgang miteinander. Dies wird unter anderem im Bemühen deutlich, den Anderen verstehen zu wollen.
Signalisieren Sie Ihr Interesse an Zusammenarbeit zum Beispiel durch die Einladung des Kollegiums oder der Schulleitung einer nahe gelegenen Schule. Orientieren Sie sich dabei an den gängigen Unterrichtszeiten, erhöhen Sie die mögliche Teilnehmerzahl und machen deutlich: Wir wissen etwas über Schulorganisation und schulische Rahmenbedingungen.
Vielleicht binden Sie die geplante Veranstaltung in einen Themennachmittag ein, der inhaltlich nicht auf Themen aus der Kita-Landschaft begrenzt ist. Thema könnte zum Beispiel sein: Wie können wir unsere Kooperation gestalten? Dadurch signalisieren Sie, dass Sie an Kooperation interessiert sind, und gleichzeitig haben Sie ein Thema, das nicht durch irgendeine Vorgeschichte belastet ist.
Vielleicht fragen Sie einmal nach, ob die Hospitation in einer Vorschulklasse möglich ist, und verbinden dies mit einer Gegeneinladung. Auf diesem Wege können Sie deutlich machen, dass Ihnen nicht an Konkurrenz gelegen ist, sondern an einem fachlichen Austausch zum Wohle der Kinder.
Hilfreiche Grundsätze
Lassen Sie sich bei all Ihren Bemühungen von folgenden Grundsätzen leiten:
- Erkunden Sie die bisherigen Lösungsversuche und fragen Sie immer: Wie haben wir etwas geschafft, wie hat Schule etwas geschafft? So blicken Sie ressourcenorientiert und können auf diesen Ressourcen aufbauen.
- Konzentrieren Sie sich in diesem Zusammenhang auf mögliche Lösungen in der Zukunft und weniger auf die Problemsysteme der Vergangenheit.
- Gehen Sie davon aus, dass die »Wirklichkeit« aller Beteiligten nur ein hypothetisches Konstrukt ist. Jeder hat seine eigene Wirklichkeit, und der respektvolle Umgang miteinander erfordert die Akzeptanz dieser Wirklichkeiten.
- Treffen Sie am Ende jeder Besprechung mit Lehrerinnen und Lehrern verbindliche Verabredungen: Wer macht wann was? Wann treffen wir uns wieder?
- Und denken Sie daran: Ein Lehrer hat im Verlaufe seines Berufslebens die Schule kennen gelernt, die Uni besucht, und dann kam er wieder in die Schule. Mit Notwendigkeit ist sein Blickwinkel ein anderer als Ihrer.
Die anfangs erwähnte Studentin hat ihr Praktikum übrigens in unserer Kita absolviert. Als es zu Ende war, stellte auch sie fest, dass Kita und Schule wirklich weit voneinander entfernt sind. Das sei auch gut so, meinte sie.
Sven Hinrichsen
Ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur Systematisierung des Übergangs zwischen Kindergarten und Grundschule. Projektziele, Projektberichte und das Konzept der wissenschaftlichen Begleitung stehen zum Download zur Verfügung.
www.ponte-info.de
Ponte ist ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt, das Kindergärten und Grundschulen dabei unterstützt, sich selbst zu hervorragenden Bildungseinrichtungen für Kinder weiterzuentwickeln. Ponte unterstützt Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen bei ihrer Zusammenarbeit, indem Moderatorinnen die Gesprächsrunden, Workshops und Praxis-Projekte begleiten und auswerten helfen. Ziel ist es, dass Erzieherinnen und Lehrerinnen ihre Kompetenzen im Hinblick auf die Bildungsprozesse der Kinder bündeln und dadurch stärken.
www.bildungsserver.de
Der Deutsche Bildungsserver bietet eine umfangreiche Linkliste zum Thema »Übergang von der Kita in die Grundschule«. Durchklicken über > Eltern > Eltern von Kindern in Kindertagesbetreuung > Kindertagesbetreuung in Deutschland > Übergang Kindergarten-Grundschule.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 08-09/06 lesen.