Vom Konsumenten zum Produzenten
Kinder sollten zu Hause und in den pädagogischen Institutionen lernen, sich mithilfe digitaler Medien auszudrücken, sie kritisch zu hinterfragen und sinnvoll im Alltag einzusetzen. Dafür gibt es gute Gründe, meint Antje Bostelmann.
Neue Medien gehören zur Lebenswelt der Kinder
Kinder sollen vor dem sechsten Lebensjahr nicht mit Technik in Berührung kommen. Kein Fernsehen, nichts Digitales, kein Telefon. Diese Meinung ist in Deutschland weit verbreitet. Sinnvoll ist sie nicht.
Man kann in großen Städten kaum aus der Haustür treten, ohne jemandem zu begegnen, der ein Smartphone oder ähnliches in der Hand hält. Eltern am Rande von Spielplätzen führen nicht nur einen Latte to go mit sich, sie tippen und wischen auch ausdauernd auf Smartphone oder Tablet herum. Jedes Baby wird unendliche Male fotografiert und blickt dabei in die Linsen von Kameras, Smartphones oder Tablets.
Kleinkinder lernen durch Nachahmung. Sie beobachten die Handlungen anderer Menschen genau und versuchen, diese zu verstehen. Was ist ein Portemonnaie, wozu braucht man einen Schlüssel, wie funktioniert ein Kochlöffel? Wir laden Gegenstände durch unser Tun mit Bedeutung auf. Kinder müssen mit all diesen Alltagsdingen hantieren, um den Sinn der Welt zu verstehen. Zum Alltag zählen heute auch diverse digitale Geräte.
Kinder brauchen Technikkompetenz
Kein Genie ist je vom Himmel gefallen – und unsere Kinder sind schon gar nicht als Digital Natives geboren.
Wenn uns Erwachsene etwas von den Kindern unterscheidet, dann der Trieb der Kleinen, die Dinge, mit denen wir täglich umgehen, zu erkunden und zu verstehen. Das gibt ihnen den Vorteil, mit ungebremster Neugier und ohne großes Nachdenken technische Geräte zu benutzen. Erwachsene sitzen einem Irrtum auf, wenn sie verzückt vor Glück das Können der Kleinen als hohe Begabung interpretieren. Experimentierfreude und fehlende Vorurteile helfen den Kindern bei der Aneignung, tieferes Verstehen und Anwenderkompetenz kann allerdings nur unter Begleitung von Erwachsenen erlangt werden. Lernen ist ein komplexer Prozess, der Lehrer, Austausch, emotionale Verbundenheit und Interesse braucht.
Die Zukunft braucht Menschen mit technischen Kompetenzen. Diese müssen erworben und geübt werden. Daher ist es notwendig, den Kindern den Umgang mit technischen Geräten beizubringen. Wer sein Kind nicht im frühen Alter mit Fernseher, Computer oder Tablet in Berührung bringt, lässt wichtige Lernfenster ungenutzt vorbeiziehen, erzieht
Abneigung und Angst. Mit diesen Attributen ausgestattet lernt es sich später schwer. Das gilt für Mathematik genauso wie für technische Kompetenzen.
Kinder müssen Informationskompetenz lernen
Ungefähr im fünften Lebensjahr ist die Ich-Entwicklung der Kinder an einem Punkt angekommen, an dem sie erkennen, dass nicht alle Menschen so sind, wie sie selbst. Sie lernen in diesem Alter unterschiedliche Weltwahrnehmungen kennen und probieren aus, was sich damit anstellen lässt. Die Idee vom Schummeln entsteht. Fragt das Kleinkind stetig »Warum?«, so fragt das Vorschulkind: »Ist das wahr?« Diese Fragestellung bekommt in der modernen Welt eine neue Bedeutung. Wir gewinnen unsere Informationen aus den Medien. Hier zeigen uns Bilder aus der ganzen Welt, was an anderen Orten los ist. Reporter erzählen dazu, was sie darüber denken. Was davon wahr ist, wissen wir nicht.
Die Medienpädagogen fragten schon in den 1970er-Jahren: »Kann man glauben, was in der Zeitung steht?« Heute ha-ben sich die Medien geändert, die Frage ist dieselbe geblieben: »Kann man den Informationen aus dem Internet trauen?« Wie lernt ein Kind zwischen dem Wahrheitsgehalt der Ice Age-Filme und dem der Nachrichten zu unterscheiden? Ganz klar: Nur durch eigene Erfahrungen unter stetiger Begleitung von Erwachsenen. Neue Studien zeigen, dass die heute 12- bis 14-jährigen den Wahrheitsgehalt des Internets nicht sicher beurteilen können. Sie halten das für wahr, was gut aussieht. Ihre Kompetenz im Umgang mit Computern beschränkt sich aufs Spielen. Sie sind kaum in der Lage, Informationen bereitzustellen oder zu verwerten.
Ziemlich traurige Ergebnisse mitten im Computerzeitalter. Wir sollten aus diesen Resultaten die richtigen Schlüsse ziehen und den Kindern schon im Kindergarten helfen, die Informationen der digitalen Welt selbst zu erleben, zu gestalten und zu verstehen. Kinderleicht zu bedienende Apps machen es möglich, dass Kinder selbst Filme drehen und schneiden, Fotos bearbeiten und Bücher zusammenstellen. Die Idee vom »Digital Native« sollten wir dabei allerdings ganz schnell vergessen. Niemand lässt sein Kind allein den Straßenverkehr erkunden. Der sichere Umgang im Verkehr wird unter Begleitung von Erwachsenen gelernt, die aufmerksam dabei sind und das Kind Schritt für Schritt selbstständiger werden lassen. Diese Methode ist beim Erlernen von Informationskompetenz unbedingt anzuwenden.
Antje Bostelmann ist ausgebildete Erzieherin und bildende Künstlerin. Sie gründete die Klax-Gruppe, steht dieser als Hauptgeschäftsführerin vor und entwickelt die Klax-Pädagogik, ein modernes pädagogisches Konzept, welches die Ideen eines sozialen Individualismus umsetzt und dabei vor allem die Pädagogen mit geeigneten Instrumenten und Methoden ausstattet. Sie gibt als Autorin, Referentin und Dozentin ihre Erfahrungen und Ideen weiter. In den letzten Jahren hat sie sich verstärkt für einen sinnvollen Einsatz digitaler Technik in der Frühpädagogik eingesetzt.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 05/15 lesen.